A R C H I V 1937 - 7
Bilder, Fotos, Zeitungsausschnitte etc. aus dem Jahre 1937

DAS MAGAZIN September 1937:






Zarah segelt zu neuen Ufern:

Zarah segelt zu neuen Ufern
Zarah wohnt in einem phantastischen Haus, erhält eine phantastische Gage, ist die berühmteste Primadonna in Berlin.
Berlin, im April
Zarah …, Zarah … . Alle reden über Zarah. Falsch: Ich bemerke, dass ich noch immer schwedisch denke. Hier reden natürlich
alle über "die Leander". Keiner sagt hier "Zarah", einzelne sagen "Zarah Leander", die allermeisten "die Leander".
Es klingt irgendwie selbstverständlich, noch selbstverständlicher, als wenn man in aller Welt "die Bergner" sagt.
Ich landete gerade noch rechtzeitig mit Aerotransports "Götaland" auf dem großen Tempelhofer Flugfeld, ehe man begann,
über Zarah zu reden. Ich nahm die Sache nicht so ernst, denn ich war doch nach Berlin geflogen, um den Star zu treffen, ihre
Aufnahmen zu verfolgen und die Stimmungen über den jüngsten großen Zuwachs im Planetarium der UFA zu studieren. Was
war da natürlicher, als dass man mit mir über Zarah sprach. Das war doch nur einfach Höflichkeit.
Aber jetzt, nachdem ich einige Tage hier umhergewandelt bin, ist mir plötzlich klar geworden, dass das Gerede über die Leander
absolut nicht nur Höflichkeit ist. Das deutsche Propagandaministerium soll recht tadellos funktionieren, so gut, dass es eine
Millionenstadt wie Berlin dazu bringt, über den Star zu diskutieren und sich mit ihm eingehend zu beschäftigen. Dafür reicht der
Besuch eines schwedischen Filmjournalisten doch noch nicht aus.
Für Zarah Leander ist ein selbstverständliches, rätselhaftes Interesse vorhanden, das mich immer wieder überrascht. Nicht,
dass ich auf irgendeine Weise das Talent und die Möglichkeiten des Stars unterschätze – im Gegenteil – aber wenn ein Filmstar
so plötzlich Filmstar und Primadonna ist und, ohne eigentlich etwas dafür zu tun, zu der Leander im Dritten Reich wird?
Das Volk redet von der Leander und diskutiert über die Leander, ich glaube, ohne eigentlich zu wissen weshalb.
Der Film "Premiere" ist zwar gelaufen und verschwindet gerade von der Filmleinwand, aber die meisten Menschen haben ihn
anscheinend nicht gesehen. (Obwohl er ein Publikumserfolg gewesen ist.)
Und wie viele hatten bei der schwierigen Ausreiseverordnung die Gelegenheit, Zarah großen Durchbruch in der Operette im
Theater an der Wien zu sehen? Vielleicht zehn, zwanzig, dreißig Personen in ganz Berlin. In Stockholm erntete sie keinen
internationalen Ruhm, der das deutsche Filmpublikum angesteckt haben könnte. Man steht also vor einem recht seltsamen
Phänomen: Einer Leanderpsychose, die niemals nur von kompetenten Publicityleuten arrangiert oder inszeniert werden konnte.
Ein Faktum, das man anerkennen muss.
Der deutsche Film hat einen neuen großen Star bekommen, und dieser neue große Star, berühmt, geschätzt, gefeiert und mit einer
Gabe, die ist … ja frech phantastisch – leider darf ich es nicht verraten, denn das habe ich hoch und heilig versprochen – dieser
große Star hat noch keinen einzigen Film gedreht. Das ist das Sonderbare daran.
Aber jetzt ist sie gerade beim Drehen. Seit einigen Wochen arbeitet sie von morgens bis abends an ihrem ersten UFA-Film.
Dass er "Zu neuen Ufern" heißt, weiß nun wohl jedes filminteressierte Kind in Schweden. Das dürfte jedoch nicht der endgültige Titel sein, denn der Film soll anlässlich der großen Premiere, die in Stockholm sein wird,
getauft werden: Im großen Hollywoodstil am 1. September mit Zarah, dem Regisseur,
dem Komponisten Benatzky und Willy Birgel unter dem Publikum. Zarah erzählte mir vor
kurzem die Neuigkeit und Benatzky hat sie bestätigt, also wird es wohl stimmen.
Der Film ist ein Kostümfilm. Die Handlung beginnt in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts in London, wo
Zarah Leander dieberühmte und umschwärmte Revueprimadonna Gloria Vane spielt.
Ihr leidenschaftlicher Verehrer ist ein junger Lebemann namens
Albert (Willy Birgel), der jedoch Gloria durch seine verschwenderische Lebensart in eine dramatische und
folgenschwere Geschichte hineinzieht, die sie bis in das damals so bekannte und gefürchtete Frauengefängnis
Paramatta in Australien bringt. Albert fälscht
nämlich einen Wechsel seines besten Freundes und Gloria nimmt die Schuld auf sich, um seinen Namen zu
schützen. So wechselt die Handlung vom heiteren, ausgelassenen London des 19. Jahrhunderts
nach Australien mit seinen Kolonisations-und Auswandererproblemen. Hier kommt es auch zur Auflösung aller
Schwierigkeiten, die nicht im Detail verraten werden. Höchstens
die eine Tatsache, dass Zarah Leander Willy Birgel in der Schlussszene "nicht bekommt". Er begeht in einer der
letzten Filmszenen Selbstmord. Sie heiratet nun einen jungen Farmer, der im Film von dem erfolgreichen deutschen
Schauspieler Viktor Staal gespielt wird.Ziemlich lang hat man sich vor allem mit dem Drehen der Londoner Szenen
beschäftigt. In der Szene im Revuetheater singt Zarah ein Lied von Benatzky mit dem Titel "Yes, Sir!"
in einem Kleid, das ein Wunder aus Näharbeitskunst und Eleganz ist. Damit es wie
angegossen sitzt, befestigt man es am Körper der Leander mit dem Klebstoff Wasserglas. "Yes, sir" scheint
einer der größten musikalischen Programmpunkte des Films zu werden, neben dem anderen Lied:
"Ich hab eine tiefe Sehnsucht in mir", das die ehemalige Revueprimadonna Gloria im Gefängnishof von Paramatta singen wird, begleitet vom Chor ihrer unglücklichen gefangenen Mitschwestern.
Benatzky hatte es eilig, wieder nach Wien zu kommen. Er war nämlich die letzten Wochen wegen des
Leanderfilms in Berlin gewesen.
Zarah Leander machte eine derart gute Aufnahme der gesanglichen Programmpunkte des Films, dass der berühmte
Operettenkomponist in seiner Begeisterung über die Leistung den Regisseur, den Chor und natürlich vor allem die Leander umarmte, während er rief: "Hört nur, wie sie das Mikrofon beschwört!"
Ich hatte die Aufnahme mit angehört und ließ mir nachher bestätigen, dass es gewiss eine der besten
und schönsten war, die Zarah Leander gemacht hatte. Eine unbeschreibliche Leistung.
Wenn Zarah arbeitet, steht sie um sechs Uhr morgens auf und dreht dann
bis elf, zwölf, manchmal bis ein Uhr nachts. Das ist ein ziemlich anstrengender Arbeitstag,
aber die Leander wirkt trotzdem vergnügt.
Ich sage wie Lilian Harvey: "Ich werde bezahlt, um zu arbeiten, und da will ich natürlich auch meine Pflicht erfüllen",
erklärt Zarah lächelnd. "Apropos Lilian Harvey", fährt sie fort, "ich glaube, ich habe selten einen so bezaubernden
und gleichzeitig so intelligenten Menschen kennengelernt. Wir haben uns gelegentlich getroffen – unter anderem
beim Filmball – und Lilian hat mir schon von Anfang an so gute Ratschläge gegeben, dass ich ihr zu ewigem Dank
verpflichtet bin. Oh, das ist ein kleiner, lustiger Mensch. Doch am spaßigsten ist
vielleicht, dass sie so hoffnungslos viel isst und es trotzdem schafft, so schlank zu bleiben. An einem Abend sah ich,
wie sie drei Roastbeefportionen gierig verschlang, und dann aß sie noch in den späten Nachtstunden eine Menge
Würstchen mit Kartoffelsalat. Sie schaut so dünn und schwach aus, dass jeder Wind sie umblasen könnte, und trotzdem
glaube ich, nie eine Frau mit ihrer Energie und Willensstärke getroffen zu haben. Das ist wirklich eine Frau, die weiß, was sie will."
Das alles erzählt Frau Leander hier bei einer kleinen Cocktailparty, die die UFA draußen in dem gemütlichen Atelierrestaurant in Neu-Babelsberg gibt. Dort treffe ich auch mit Zarahs Adjutanten zusammen, einem waschechten Grafen, Graf Karl Schönfeld.
Ein eleganter Mann und bezaubernder Mensch, der laut Zarah alles kann: vom Beschaffen einer guten Köchin bis zum Abfassen eines formvollendeten Briefes an irgendeinen sehr, sehr hochgestellten Herrn – darüber schweige ich – mit ehrerbietigem
Dank für erwiesene Aufmerksamkeit. Die freigiebige UFA hat also Zarah einen Grafen zur Verfügung gestellt. Ja, das Ganze
klingt wirklich wie ein schönes Hollywoodmärchen. Aber das Märchen wird erst vollständig fabelhaft und phantastisch,
als die Leander am nächsten Tag zum Lunch in ihre 22-Zimmer-Villa mit fünf Badezimmern am Wildpfad in Berlin-Dahlem
einlädt. Zunächst lunchte ich. Eigentlich war das ein deutsches Mittagessen, weil ja um zwei herum gegessen wurde.
Sogar das Brötchen war mit einem blaugelben Seidenband verziert. (Der vornehme Graf Schönfeld machte
natürlich aus seinem sofort ein kleines Ordensbandund steckte es sich ins Knopfloch.)
Zu Hummer, delikatem Kalbsfilet und Nachspeise wurde Champagner gereicht. Ein livrierter Diener
empfing übrigens die Gäste. Unter ihnen bemerkte man den in Schweden sehr bekannten, sympathischen Pressechef der
UFAS, Opitz, den schwedischen Rundfunksprecher Gahr, der in der ersten Direktübertragung nach
Berlin ansagte und auch eine Radiosendungaus Neu-Babelsberg improvisierte, unter anderen Zarah Leander,
Lilian Harvey undWilly Birgel im Programm.
Diese Sendung soll übrigens von Stockholm – Motala Anfang Mai ausgestrahlt werden.
Ja, so war das also in der Villa. Eine phantastisches Haus, prächtig möbliert, mit Wintergarten, Souterrain mit
elektrischem Bad, Speiseaufzügen zwischen den Etagen und einem durch Panzerplatten geschützten Schlafzimmer in
Mahagoni im ersten Stock. Da bombensichere Schlafzimmer erinnert an die Revolution – die frühere Besitzerin hat
dieses Arrangement für teures Geld machen lassen.Es gibt nicht einen Raum in der Villa ohne Seidentapeten.
Im Erdgeschoss ist eine Jagdtrophäensammlung untergebracht, größer als die von Carl Brisson in Hollywood.
In der Zimmerflucht des Erdgeschosses befinden sich der Wintergarten, eine große Bibliothek und ein Leseraum,
ein großer Salon im französischen Stil, eine große Halle mit Kamin und Hunderten von Jagdtrophäen und der
Speisesaal; im ersten Stock das Schlafzimmer, ein bezauberndes Boudoir in ruhigen, gedämpften Farben und ein
türkisches Zimmer. "Harrummet" nennen es Frau Leanders Kinder, die in der dritten Etage ihr Schulzimmer, ein
Spielzimmer und ihre Schlafräume haben.
Ja, das Ganze ist äußerst prächtig. Aber am besten von allem finde ich, dass die Leander immer noch Zarah
geblieben ist,trotz Luxusvilla, gräflichem Adjutanten und hoher Gage. Dieselbe Zarah, die ich zuletzt in
Stockholm getroffenhabe – Gott sei Dank.
Text zu den Bildern aus dem Filmjournal Schweden Nr. 17/1937:
Zarah segelt zu neuen Ufern
Seite 1
links oben:
Der deutsche Fotograf sieht eine so wunderschöne Zarah. Wir möchten sie sicher auch ungefähr so sehen.
großes Bild rechts:
Zarah draußen vor ihre Wohnung in Berlin. Anscheinend ist das ein prächtiger Villenbau.
links unten:
eine Szene aus dem ersten deutschen Film "Zu neuen Ufern" mit Willy Birgel.
unten Mitte:
Zarah zusammen mit ihrem Begleiter, Graf Schönfeld, dem "Botschafter" der UFA.
Seite 2
rechts oben:
zu Hause vor dem Spiegel. Im Spiegelglas ist der Ehemann Vidar Forsell undeutlich zu erkennen.
Bild unten:
Eine Szene aus dem kommenden Film. Anscheinend eine Opernloge---------------------------------------------- ---------------------------------------------- ---------------------------------------------- ---------------------------------------------- ---------------------------------------------- ---------------------------------------------- ---------------------------------------------- ----------------------------------------------