Paul Seilers ZARAH LEANDER Archiv

roter Pfeil A R C H I V 1982 - 13

Bilder, Fotos, Zeitungsausschnitte etc. aus den Jahren seit 1982




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Frau im Spiegel Juli 1988:
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Hemmets Veckotidning Schweden am 3./9. Oktober 1988:
 
Zarah und ich liebten einander, aber ihre Eltern wollten nichts von mir wissen  -   da entschieden wir uns für ein Kind der Liebe . . .
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Übersetzung des obigen Artikels:
 
 
 Zarah und ich liebten einander, aber ihre Eltern wollten nichts von mir wissen  -   da entschieden wir uns für ein Kind der Liebe . . .
 
 
  Nils Leander war erst zwölf Jahre, als er sein Herz an ein kleines, rothaariges Mädchen verlor. Viele Jahre später begegneten sie sich wieder, da flammte die wahre Leidenschaft auf, trotz aller Hindernisse, die ihnen in den Weg gelegt wurden. Als Zarahs Eltern dahinterkamen, dass ihre Tochter heimlich nachts einen Besucher in ihrem Zimmer empfing, war die Aufregung groß --- dass er Pastorensohn war, half wenig. .   Aber Zarah und Nils konnten ohne einander nicht leben --- und bald fanden sie eine Lösung, den Segen der Eltern zu erzwingen. Schließlich gab es eine Hochzeit, sogar in der Domkirche, und Nils` eigner Vater vollzog die Trauung!
 
Nils Leander war erst zwölf Jahre, als er sein Herz an ein kleines, rothaariges Mädchen verlor. Viele Jahre später begegneten sie sich wieder, da flammte die wahre Leidenschaft auf, trotz aller Hindernisse, die ihnen in den Weg gelegt wurden. Als Zarahs Eltern dahinterkamen, dass ihre Tochter heimlich nachts einen Besucher in ihrem Zimmer empfing, war die Aufregung groß --- dass er Pastorensohn war, half wenig. . . Aber Zarah und Nils konnten ohne einander nicht leben --- und bald fanden sie eine Lösung, den Segen der Eltern zu erzwingen. Schließlich gab es eine Hochzeit, sogar in der Domkirche, und Nils` eigner Vater vollzog die Trauung!                                                              
 VON ELISABETH REICH   FOTO: ALICE STRID, PRESSEBILD UND PRIVATBILDER                                                                                                                  
   Es war ein herrlicher Spätsommertag, als ich langsam durch Lunds Straßen spazierte, neben mir ein Herr mit grauem Haar und strahlenden Augen. Keiner schaute auf uns, keiner wusste, wer das war, der an meiner Seite ging.
   Er heißt Nils Leander. Es ist ausgerechnet dieser Mann, nun gut achtzig Jahre alt, der einmal vor langer Zeit der Grund dafür war, dass die vielleicht allerbedeutendste Primadonna unseres Landes --- Zarah Leander --- seinen Nachnamen erhielt. Die beiden waren nämlich während einiger Jahre in einer leidenschaftlichen Ehe vereint. Nils hat immer noch, obwohl seitdem mehr als ein halbes Jahrhundert vergangen ist, manche Erinnerungen an diese unvergessliche Zeit seines Lebens.                                                                                     
     Das Ziel unseres Spaziergangs ist ein Gebäude, das nur einige Steinwürfe entfernt von Lunds grandioser Domkirche liegt --- die „Tageszentrale Laurentiistraße“, wo Nils und manch andre Senioren nun viel Zeit verbringen.
    In der Tageszentrale, wo wir gerade rechtzeitig zu einer Tasse Kaffee kommen und die delikaten Mandelplätzchen probieren, fängt Nils Leander endlich an, über seinen eigenen Hintergrund zu sprechen. Obwohl er einige Jahre Schauspieler war, will er sich nicht selbst in den Mittelpunkt stellen.
 --- Ich wuchs in einem Pfarrhaus auf, sagt Nils. Irgendwo in mir fand sich wohl früh eine sogenannte „künstlerische Ader“ --- aber ich hatte lang keine Ahnung davon, was ich mit meiner Zukunft machen sollte. Meine Eltern veranstalteten zu jedem Weihnachtsfest verschiedene Märchenspiele. Da war es ganz selbstverständlich, dass ich auftreten sollte. Am liebsten wollte ich den Prinzen spielen!   Ganz sicher war er ein überaus anziehender Bursche, als er zum allerersten Mal einem gewissen Mädchen begegnete, auf das er anscheinend sofort einen tiefen Eindruck machte. Es war groß, sommersprossig, rothaarig, neun Jahre alt --- und hieß Zarah Hedberg . . . 
--- Zu der Zeit besuchte ich die Oberschule in Karlstad, sagt Nils. Ich war wohl ungefähr elf Jahre alt, vielleicht zwölf. Im Sommer machte ich im värmländischen Lekvattnet Zarahs Bekanntschaft.  Ich war Klassenkamerad eines außerordentlich netten Jungen, Ante  Hedberg, der mir gelegentlich von seiner „kleinen Schwester“ erzählt hatte, die Zarah hieß . . .   In Lekvattnet, etwa zehn Meilen von Karlstad, gab es ein Touristenhotel, wo Familien aus Karlstad gern ihren Urlaub verbrachten. In diesem ganz besonderen Sommer hatte ich von Papa Pontus ein Fahrrad bekommen und                     als ich mit meinem teuren Geschenk zufällig am Hotel vorbeikam, stand da ein Mädchen auf der Treppe und wollte wissen, ob es mitfahren dürfe. „Auf der Stange“, erklärte es. Ich sah es an und antwortete sofort: „Ja, natürlich!“ So fuhren wir los, in rasender Eile, einen sehr langen Abhang hinunter.                    
Eine schwindelerregende Spazierfahrt                                                           
Noch heute, siebzig Jahre später, kann ich mir jene Ereignisse ins Gedächtnis zurückrufen, jede Einzelheit davon. Vor allem spüre ich immer noch, wie die flammenden, roten Haare Zarahs gegen meine Wangen schlugen. Ich wurde übermütig, fuhr schneller und schneller und als wir ans Ende des Abhangs kamen, drehte sie sich zu mir um und sagte bittend: „Fahren wir noch einmal!“ Selbstverständlich war ich sofort bereit, diesen Wunsch zu erfüllen. Ich wollte ja nichts lieber. Wenn möglich, fuhr ich jetzt noch schneller als das erste Mal, ich war fast lebensgefährlich kühn geworden. Und noch einmal streichelte jenes rote Haar mein Gesicht. Es geschah etwas sehr Merkwürdiges: Zum allerersten Mal in meinem Leben entdeckte ich, dass es Mädchen gab . . .          
Aber es sollte viele Jahre dauern, ehe sich Nils Leander und die rothaarige Zarah wieder begegneten. Nach Beendigung des Schulbesuchs wurde Nils mehr und mehr vom Theater gepackt und er ging nach Stockholm. Selbstverständlich schwebte ihm die Theaterschule des Dramaten (= Königliches Dramatisches Theater) als Ziel vor. Aber da Nils ein vernünftiger junger Mann war, beschloss er, zuerst in einer der mehr bekannten Theaterschulen der Hauptstadt den Grund zu legen, wo kein Geringerer als Gösta Ekman Lehrer war. Und so allmählich kam die erste „große Chance“, jedenfalls glaubte es Nils, ganz im Anfang seiner vorgesehenen Karriere. Er sollte als Statist im Film „Karl XII.“ mitwirken, in dem die Legende Gösta Ekman selbst den schwedischen Kriegerkönig spielte. Nils war erst zwanzig Jahre alt und sah sich schon im Geist als einen neuen Filmhelden. Hatte nicht Gösta persönlich eines Tages auf ihn geschaut und dann erklärt: „Leander müsste Karl XII. machen, bei der Nase."                                                     
    Natürlich war der junge Nils äußerst stolz, in einem so interessanten Zusammenhang filmen zu dürfen. Er rief die Eltern an und erzählte ausführlich über seine Mitwirkung. Papa Pontus und Mama Hulda waren aus Värmland weggezogen und hatten sich in einem Pfarrhaus in Risinge in Östergötland niedergelassen. Schnell ging die Neuigkeit über des „Pastorensohns Film“ wie ein Lauffeuer durch die Gegend und alle freuten sich auf den Tag der Premiere von Karl XII. in Norrköping.                                                                                                  
 Dann kam endlich die Premiere. Alle begaben sich ins Kino, der Pastor und seine Frau, außerdem viele ihrer Freunde und Bekannten. Aber ihre Erwartungen wurden enttäuscht. Früh am nächsten Tag bekam Nils einen Anruf in zornigem Ton aus Risinge. Es war der Vater, Papa Pontus, der seinem Sohn vorhielt: „Du hast gelogen! Wir sind gestern alle zur Premiere von Karl XII. gefahren  --- aber du warst nicht dabei!!“                                                                     
    Nils beruhigte seinen verärgerten Vater mit der Erklärung, dass der Film in zwei Teilen eingespielt worden war. Er selbst wirke erst im zweiten Teil mit. Der Pastor verstand und verzieh seinem Nachkommen. Aber als dann Karl XII., Teil zwei, in Norrköping gezeigt wurde, befand sich Pastor Leander für alle Fälle nicht unter dem Publikum. Auch kein Zweiter aus der gesamten Gegend, für alle Fälle . . . 
Es wurden mehr Filme für Nils Leander. Aber nicht genug damit: Nach seiner vorbereitenden Theaterausbildung wurde er in der Theaterschule des Dramaten angenommen. Nun hatte er das erste Ziel seiner Träume erreicht . . .
 
Erkannte Zarah nicht wieder                                                                                 
    --- Mein Vater hatte eine einzige Bedingung gestellt, als er einsah, dass es mir mit dem Theater Ernst war. Vorausgesetzt, ich käme in die Theaterschule des Dramaten, erklärte er, würde ich damit eine Bestätigung erhalten, nun in einem Beruf anerkannt zu sein. Sonst müsste ich mich mit etwas anderem beschäftigen.
 Die Monate eilten nur so dahin und ich hatte es geschafft, Schüler im 2.Jahr zu werden. Wie es damals am Dramaten Brauch war, sollten wir „Älteren“ mit denen, die in die Theaterschule wollten, Texte gegenlesen. Zufällig befand sich jenes rothaarige Mädchen, dem ich vor langer Zeit begegnet war, Zarah Hedberg, ausgerechnet in der Gruppe, wo ich mich um das Gegenlesen zu kümmern hatte. Sie schaute, gut gelaunt, auf mich und sagte: „Der da ist Nils Leander!“ Ja, das konnte ich allerdings nicht leugnen. „Du erkennst mich natürlich nicht wieder“, fuhr sie fort. Ich wollte nicht zugeben, dass es mir schwerfiel, mich an sie zu erinnern, sondern antwortete übertrieben herzlich: „Aber gewiss erkenne ich dich wieder!“ „Njaaa, das glaube ich zwar nicht“, lachte sie. „Aber es war in Lekvattnet, wo wir uns sahen . . .“
    Endlich erinnerte ich mich, dass ich doch dieses Mädchen auf meinem Rad gefahren und ganz bezaubernd gefunden hatte, aber das war natürlich ziemlich lange her.
     Der Text, den Zarah einstudiert hatte, stammte aus „Salome“ von Oscar Wilde --- aber leider versagte sie bei der Prüfung. Sie wurde nicht zugelassen.
     Als Zarah vor die Jury trat, wagte ich ein Gespräch mit einer der Lehrerinnen der Schule, der mächtigen Maria Schildknecht. Ich fragte kühn, wie Frau Schildknecht Zarah Hedberg fände? „Ach, irgendeine Liebe“, antwortete sie. „Das Mädchen hat natürlich ein stattliches Aussehen, schickes Haar, aber das ist bekanntlich keine Begabung!!“
    Ich habe nicht die geringste Erinnerung daran, dass Zarah besonders verzweifelt gewesen wäre, weil sie nicht in die Theaterschule kam. Wir trafen uns bald noch häufiger, wir gingen aus und tanzten, uns verband eine Menge. Ich für mein Teil entschied mich augenblicklich für Zarah, als sich dieses zweite Mal unsere Wege kreuzten.
      Eines Tages nahmen wir uns allen Ernstes vor zusammenzubleiben. Aber es gab in einer Hinsicht Probleme --- denn Zarah wohnte in Karlstad und ich selbst hatte am Dramaten viel zu tun. Erst am Samstag hatte ich frei --- und daher fuhr ich Freitag in der Nacht hinauf nach Karlstad, Woche für Woche. Zu der Zeit eine wirklich anstrengende Zugfahrt.
     Zarah verfügte im Elternhaus über ein eigenes, abgesondertes Zimmer mit eigenem Eingang. Sie hatte mir heimlich einen Haustorschlüssel gegeben. Sobald ich in die Stadt kam --- ich glaube, dass es gegen fünf Uhr morgens             war --- lief ich unverzüglich zum Haus der Familie Hedberg und schlich mich die Treppe hinauf. Dort oben konnten wir einige Stunden völlig allein sein, den Rest meines „freien Tages“ verbrachten Zarah und ich irgendwo unterwegs in der Stadt --- und dann war es wieder Zeit für mich, heim nach Stockholm zu fahren.
Das Kind wurde die Rettung                                                                         
Mit der Zeit wurde unser Geheimnis natürlich doch entdeckt und ich verstand, dass Mutter und Vater Hedberg endgültig gegen unsere Liebe kämpften. Sie sprachen sehr deutlich davon, dass Zarah, noch so jung, sich keinesfalls verheiraten sollte! Aber wir, so wahnsinnig verliebt ineinander, wir wollten keine Einwände hören. Wir wurden, im Gegenteil, noch stärker zusammengeschmiedet. Eines Tages einigten wir uns darüber, wie wir all diesen massiven Widerstand bezwingen könnten: Wir müssten ein Kind haben! Vielleicht war der Entschluss unreif, aber welche andere Möglichkeit gab es, eine Ehe zu erzwingen? Nachträglich glaube ich nicht, dass Zarahs Eltern etwas gegen mich persönlich hatten. Sie fanden nur, wie viele zu der Zeit, dass „Schauspielerei“ ein Beruf ganz ohne Ansehen war. Zarahs eigener Vater legte ja besonderen Wert auf seine angesehenen Grundstücksgeschäfte . . .
 Schließlich kam Zarah zu mir nach Stockholm und unsere Liebe wuchs und wuchs. Wie das Kind, das Zarah erwartete . . .
     Später habe ich oft über meine Liebe zu Zarah nachgedacht. Als sie begann, machte es tatsächlich „klick“, genau wie beim König --- und mein Gefühl hatte nichts mit Zarahs Schönheit zu tun. Für mich wurde jenes starke Gefühl ein ganz wunderbares Erlebnis. Zarah war in meinen Augen das Lieblichste, das es gab. Mit Massen von Sommersprossen --- die in der Tat bereits Maria Schildknecht bemängelt hatte --- aber was machte das schon? So etwas verdeckt man mit Schminke, scherzte ich gewöhnlich mit Zarah, wenn die Sommersprossen erwähnt wurden.
     Und am Ende war es Papa Pontus, der uns traute --- sogar in der Domkirche in Karlstad!
    Zarahs Eltern hatten bei der Lage auch nachgegeben. Mein Vater, ebenso wie meine Mutter, akzeptierten nicht nur unser Verhältnis, sondern gaben uns noch dazu während unserer ganzen Ehe sowohl Halt als auch Hilfe. Es waren damals schlechte Zeiten, nicht zuletzt für Schauspieler. Als ich die Theaterschule abgeschlossen hatte, fand ich in gewissen Perioden gar kein Engagement.
     Papa Pontus zeigte eine ganz große Freigebigkeit. Unter anderem sorgte er dafür, dass ein Kindermädchen auf unsere Kinder schaute, wenn wir arbeiteten. Zarah und ich bekamen nämlich zuerst eine Tochter, unser sehnlichst erwartetes Kind der Liebe, und kurze Zeit später einen kleinen willkommenen Sohn.
Eine gute Värmlandgeschichte                                                                       
Während der ersten Zeit unserer Ehe wohnten wir im Heim meiner Eltern, dem Pfarrhaus in Risinge. Es wurde später behauptet, unter anderem von Zarah selbst in ihrem Buch, Papa Pontus hätte die ständige Beschäftigung seiner Schwiegertochter mit dem Singen nicht leiden können. Sie wäre gezwungen gewesen, ihre Lieder auf dem Klosett des Pfarrhauses zu üben.
     Aber so war es durchaus nicht, keineswegs!   
    Anfangs war ich wirklich empört, zumindest tief gekränkt um meines guten Vaters willen --- aber nun, viele Jahre später, verstehe ich Zarah besser. Zarah war ja eine typische Värmländerin, und die Menschen aus dieser Provinz „verführen“ bei der Wahrheit gern ein klein wenig. Die Hauptsache für sie ist eine „gute Geschichte“. . .
    Zarah brauchte sich nie zu verstecken, wenn sie sang, das kann ich garantieren. Ganz im Gegenteil: Sie leistete meinem Vater draußen in der Pfarrgemeinde Gesellschaft, wo sie ihrer Sangesfreude reichlich Ausdruck geben konnte. Außerdem liebte sie es, an einem alten Klavier zu sitzen, das es daheim in Risinge gab, und zu singen. Papa Pontus hörte Zarah oft und gern zu.
     Allmählich veränderte ich mich aber wohl selbst. Ziemlich bald nach unserer Heirat entdeckte ich, dass ich zwar spielte, jedoch nicht die richtige Begabung hatte, um ein großer Schauspieler zu werden.
     Stattdessen beschäftigte ich mich so nach und nach mit etwas ganz Neuem: mit Büchern und Reklamen. Ein Beruf, den ich mein Leben lang beibehielt.
     Während der gemeinsamen Jahre mit Zarah ließ Nils nichts unversucht sich etwas auszudenken und darauf zu achten, dass seine Frau als Sängerin Erfolg hatte. Unter anderem organisierte er frühzeitig ein Probesingen vor dem berühmten Oscar Winge in Malmö und vor Björn Hodell in Stockholm. Sogar den Opernchef John Forsell befragte er wegen der tiefen, schönen Stimme seiner Frau. Aber zu diesem Zeitpunkt konnte man es sich in der Familie Leander nicht leisten, die Kosten für teure Gesangsstunden zu tragen, die nötig gewesen wären . . .
Die Chance ihres Lebens                                                                                           
Eines Tages sahen Nils und Zarah in ihrer ostgötländischen Lokalzeitung, dass Ernst Rolf nach Norrköping kommen würde. Er war unterwegs auf einer großen Tournee.
     Zarah hatte ziemlich lange ein Lied einstudiert, dasselbe, mit dem die Primadonna Margit Rosengren große Triumphe feierte. Es hieß: „Wollt ihr einen Star sehen, schaut mich an . . .“
    „Wir fahren hin, Nils“, sagte Zarah spontan zu mir, als sie die Rubrik über Ernst Rolf las. Ich hatte sofort das Gefühl, dies könnte die Chance in Zarahs Leben sein.
     Zu der Zeit besaß ich kein eigenes Auto, sondern musste Papa Pontus` Auto leihen, um Zarah vom Pfarrhaus nach Norrköping fahren zu können. Ich beschloss, zu allererst Fridolf Rhudin zu begrüßen, der in der Rolf-Revue die tragende Kraft war. Ich kannte ihn nämlich recht gut von früher.
    Aber Fridolf wehrte sich hartnäckig und sagte: „Mein Lieber, Ernst Rolf ist in sehr schlechter Laune. Wir können nichts machen, zumindest nicht heute Abend!“
     Ich verließ mich ganz auf Fridolf. Zarah und ich kehrten also nach Risinge zurück und kamen am nächsten Tag wieder nach Norrköping. Diesmal gab es überhaupt keinen, der mich bei Ernst Rolf voranmelden wollte, denn der durfte absolut nicht gestört werden.
     Aber plötzlich entschied ich mich zu handeln. Ich begab mich mit Todesverachtung im Herzen zu der Loge, von der ich wusste, dass sich dort Ernst Rolf aufhielt, sagte höflich meinen Namen und erzählte kurz gefasst, ich hätte eine Frau, die Direktor Rolf vielleicht freundlicherweise anhören wolle. „Nein, nein“, erwiderte Rolf abwehrend. „Lieber Herr Leander, bitten Sie mich nicht. Ich habe keine Zeit. Auf jedem Platz, zu dem ich komme, taucht eine Menge „alter Weiber“ auf und alle wollen in meiner Revue mitmachen. Ich kann es bloß nicht mehr bewältigen. Es ist sicherlich am besten, dass Sie wieder gehen.“
    Ja, ich musste natürlich abziehen, stand danach noch irgendwo im Foyer und nach einer Stunde kam Rolf heraus. Er erblickte Zarah augenblicklich, dicht an meiner Seite. Er drehte sich zu mir und fragte: „Ist sie das? Ist das Herrn Leanders Frau? Kalle“, rief er dann, „setz dich ans Klavier!“
Es wurde sofort ein Debüt                                                                                 
Zarah begann zu singen --- selbstverständlich „Wollt ihr einen Star sehen“, aber plötzlich verlor sie den Faden. Rolf rief derart laut, dass es im ganzen Zuschauerraum widerhallte: „Das macht nichts! Fahren Sie fort!“ Nachher befahl er: „Herr Leander, kommen Sie in meine Loge!“ Als wir uns, nochmals, dort einfanden, zog er einen Hundertkronenschein heraus und sagte: „Hier ist Geld für die Reise nach Boras. Ihre Frau debütiert nächsten Sonntag bei mir! Willkommen“, beendete er das Gespräch.
     So begann die Rolf-Tournee, die durch ganz Schweden ging. Es gab viele, unter anderen Fridolf Rhudin und Tutta Rolf, die mit dem leuchtenden Star Zarah und ihrem Mann Nils klarkommen mussten.
    Nils und Zarah zogen mit den Kindern nach Stockholm.
    Nils erhielt verschiedene Engagements, unter anderem in Skärgarden mit Rut Holm im Mosebacketheater. Aber es handelte sich die ganze Zeit um Nebenrollen, versichert er selbst.
     Zarah hingegen eilte in dem Beruf, den sie gewählt hatte, von Erfolg zu Erfolg. 1930 wurde ihr ein Engagement beim berühmten Stockholmer Ausstellungstheater angeboten. Am 7.Juni 1930 gab es eine unvergessliche Premiere der „Ausstellungsrevue“.
    Zu dem Zeitpunkt hatte sich Zarah zu einer echten Primadonna entwickelt und dieses Jahr wurde eines der besten ihrer Ehe. Die Kinder waren klein und liebreizend und der Familie war es geglückt, eine schöne Wohnung in der sogenannten Dragonerkaserne zu mieten, nahe dem Ausstellungsgelände.
    Mit einem Lächeln erinnert sich Nils Leander an seinen und Zarahs herrlichen Sommer 1930, in dem er als „Sprecher“ während der Ausstellung Arbeit fand. Wenn es für Zarah Zeit wurde, sich ins Theater zu begeben, rief er in seinen Lautsprecher: „Jetzt ist es Zeit zu gehen, Zarah!“ Und dann sah er von seiner Sprecherkabine ganz nahe der Wohnung, wie sie ihren rothaarigen Kopf aus einem der Fenster streckte und winkte. Vorläufig waren die beiden so glücklich . . .
Wolken ziehen auf                                                                                              
Aber nach und nach tauchten schwarze Wolken am Horizont auf. Das Problem begann damit, dass Zarah ans Vasatheater engagiert wurde, zur gleichen Zeit, als Nils anderswo arbeiten musste. Er hatte ein Angebot erhalten, in Paris zu filmen, und selbstverständlich war es schwer, einer solchen Gelegenheit zu widerstehen. Nachdem „Der General“ fertiggedreht worden war, kam Nils heim nach Schweden. Aber sofort wartete die nächste Aufgabe: noch ein Film im Ausland. Nils mochte seine Rollen, aber die ganze Zeit wusste er, dass seine Ehe durch die erzwungenen Trennungen auf eine harte Probe gestellt wurde. Allmählich bemerkte Nils nun, dass er und Zarah immer mehr eigene, getrennte Wege gingen. Zuletzt blieb als Lösung nur mehr die Scheidung übrig.
      Anfang der Dreißigerjahre wurde die Ehe, zu Beginn ganz tiefe Liebe, aufgelöst. Nils zog in eine Wohnung in der Altstadt und versuchte, fest entschlossen, die vergangenen Jahre, die Jahre mit Zarah und den Kindern, zu vergessen. Aber seine Wunden konnten nicht in Ruhe heilen, denn immer wieder stellte man ihm verschiedene verletzende Fragen. Meistens ging es darum, ob er irgendeinen Unterhalt von Zarah bekäme! Er, der niemals eine einzige Krone von seiner Exfrau annahm! Allerdings hatte er mit Zarah einen Vertrag als Impresario auf sechs Jahre abgeschlossen, aber wegen der Scheidung riss der in tausend Stücke.
    Als Nils Leander von Zarah geschieden war, lebte er zunächst in einer einfachen Pension. Die Ex-Eheleute hatten sich geeinigt, dass er sich einen Tag in der Woche um die beiden Kinder kümmern sollte, außer während des Sommers. Nils empfand ein großes Gefühl der Zusammengehörigkeit für seinen kleinen Jungen und das Mädchen. Er nahm die Kleinen jedes Wochenende wegen neuer Entdeckungen im Auto mit. Nach und nach tauchten jedoch Probleme auf. Manchmal war Nils beschäftigt, manchmal war irgendetwas anderes für die Kinder geplant. Zur gleichen Zeit vergrößerte sich die Arbeitslast für Zarah selbst immer mehr, deshalb wollte sie die kurze Zeit, die übrig blieb, mit ihrem Sohn und ihrer Tochter verbringen. Es war ihre Mutter, „Tante Hedberg“, die für Tochter und Enkel den Haushalt führte.
Verzichtete auf die Kinder                                                                            
 So kam der Tag, an dem Zarah sich vermählen sollte --- mit Vidar, dem Sohn des Opernchefs John Forsell. Damals beschloss Nils zum ersten Mal, auf jedes Umgangsrecht seinen Kindern gegenüber zu verzichten. Er verzichtete --- versichert er nachdrücklich --- ganz und gar freiwillig. Aber der Entschluss wurde den Kindern zuliebe gefasst, jetzt, wo sie einen neuen Vater bekommen sollten. Nach einiger Zeit adoptierte der Stiefvater das kleine Mädchen und den Jungen und sie erhielten beide den Nachnamen Forsell. Danach sahen sie ihren eigenen Vater während vieler Jahrzehnte nicht wieder . . .
   Vor einem Jahr änderte sich viel in Nils Leanders Leben. Da traf er nämlich seinen Sohn Göran zum ersten Mal nach 54(!) Jahren. Nils versichert, dass es sich wirklich nicht um irgendeine Art der Versöhnung handelte --- dafür gab es keinen Grund. Er und die beiden Kinder aus der Ehe mit Zarah waren nie Feinde gewesen --- sie lebten nur getrennt voneinander.
    Dann beginnt Nils über seine Enkelin Malin zu sprechen, die ihn in Lund besucht.
    Göran wohnt, genau wie Nils einmal vor langer Zeit, im Herzen der Altstadt. Dort kam sein Vater mit dem Halbbruder Peter zusammen (geboren in einer späteren Ehe) und die drei verbrachten laut Nils einige ganz fantastische Stunden. Später einigten sie sich darauf, künftig immer in Verbindung zu bleiben.
    --- Es war seltsam, meinem Göran nach so langer Zeit zu begegnen, sagt Nils mit großer Zärtlichkeit in der Stimme. Denn ich empfand es, als ob es gestern gewesen wäre. Alle Jahre waren wie durch ein Wunder verschwunden . . .
    Ohne Zweifel ist alles im Leben für Göran gut gegangen, setzt Nils fort. Er wurde Chef in einer Papierfabrik im Värmland und heiratete die Tochter des Verlegers Bonnier . . . Auch mein und Zarahs Mädchen, Boel, hat es außerordentlich gut getroffen --- sie ist verheiratet und lebt in der Schweiz.
    Im Vorjahr fuhr Nils Leander von Schonen hinauf nach Stockholm, um bei einem der spannendsten Ereignisse seines Lebens dabei zu sein. Er wollte die Schauspielerin Evabritt Strandberg im Intiman auftreten sehen --- in der Rolle als seine eigene Frau in Jugendjahren, Zarah Leander!
   --- Ich hatte eine rote Rose für Evabritt Strandberg bei mir, erzählt Nils. Sie war sie wert, tausendfach. Ich muss es sagen, so unbeschreiblich groß ich Zarah als Künstlerin auch fand: In gewissen Momenten an diesem Abend schien mir Evabritt sogar besser zu sein als das Original! Wenn es einer wissen musste, dann wohl ich . . .
    Wir sind am Ende unseres Gesprächs angekommen. Nils muss sich binnen Kurzem mit einer seiner vielen Tätigkeiten beschäftigen, unter anderem mit der Bass-Tuba, in jenem Tageszentrum, das auf die alten Tage zu einem unentbehrlichen Teil seines Lebens geworden ist. Er kommt mit anderen Leuten zusammen, betreibt ein wenig Sport, und außerdem erwarten ihn ja ständig spannende Ereignisse innerhalb der „Seniorenakademie“, Lektionen, Vorträge von berühmten Professoren --- über das Problem des Alterns zum Beispiel.
    Das Altern, ja. Daran will Nils Leander wirklich keine negativen Gedanken verschwenden. Er fährt damit fort, sein Leben auf die Weise zu leben, die er am besten findet, genauso wie in den Jahren, die er wahrscheinlich nie ganz vergessen kann: die Jahre zusammen mit Zarah Leander.
    Als eine Art Erklärung sagt er, bevor er sich verabschiedet:
    --- Lange Zeit war ich von Zarah völlig fasziniert. Sie war eine starke Frau, vielleicht bedeutend stärker als ich selbst. Doch ich gebe zu, dass Zarah eine große Liebe in meinem Leben war.
    Aber das Leben musste ja weitergehen. Sowohl für sie als auch für mich.
 

 

Texte zu den Bildern:

Bild 1 

--- Zarah war eine starke Frau, vielleicht bedeutend stärker als ich selbst, sagt Nils Leander. Doch ich gebe zu, dass Zarah eine große Liebe in meinem Leben war!

 

Bild 2                
 In der ersten Zeit ihrer Ehe wohnten Nils und Zarah Leander bei Nils` Eltern im Pfarrhaus von Risinge. Auf diesem Bild von 1929 sind sie zusammen mit dem Kind der Liebe Boel.
Bild 3: 
Zarah Leander mit den beiden Kindern Boel und Göran. Als sich das Paar trennte, verzichtete Nils freiwillig auf das Umgangsrecht   --- den Kindern zuliebe.                                                                   
Bild4:                                                                                                                                                                         
 Ein Rollenporträt von Nils Leander aus einem Film in den Dreißigerjahren. Nach der Heirat sah er ein, dass er wohl nicht die richtige Begabung hatte, um ein großer Schauspieler zu werden . . .
Bild 5:                                                                                                                                                                  
  Es dauerte ein halbes Jahrhundert, ehe Nils Leander seinen Sohn Göran Forsell wiedersah.  Das geschah bei der Premiere des Musicals „Zarah“ in Stockholm.
Bild 6:                                                                                                                                                                
  Als Ernst Rolf Zarah Leanders Schönheit sah, engagierte er sie sofort für seine Revue, und ein Star war geboren!                                                                                                                                     
  

 
  
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Berlin würdigt Zarah Leander
Umfangreicher als je 10 Jahre nach ihrem Tod 
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Berliner Morgenpost am 11. Juni 1991:
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Berliner Morgenpost am 23. Juni 1981:
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 VON ELISABETH REICH  FOTO: ALICE STRID, PRESSEBILD UND PRIVATBILDER 

 

Es war ein herrlicher Spätsommertag, als ich langsam durch Lunds Straßen spazierte, neben mir ein Herr mit grauem Haar und strahlenden Augen. Keiner schaute auf uns, keiner wusste, wer das war, der an meiner Seite ging.

   Er heißt Nils Leander. Es ist ausgerechnet dieser Mann, nun gut achtzig Jahre alt, der einmal vor langer Zeit der Grund dafür war, dass die vielleicht allerbedeutendste Primadonna unseres Landes --- Zarah Leander --- seinen Nachnamen erhielt. Die beiden waren nämlich während einiger Jahre in einer leidenschaftlichen Ehe vereint. Nils hat immer noch, obwohl seitdem mehr als ein halbes Jahrhundert vergangen ist, manche Erinnerungen an diese unvergessliche Zeit seines Lebens.                                                                                     
     Das Ziel unseres Spaziergangs ist ein Gebäude, das nur einige Steinwürfe entfernt von Lunds grandioser Domkirche liegt --- die „Tageszentrale Laurentiistraße“, wo Nils und manch andre Senioren nun viel Zeit verbringen.
    In der Tageszentrale, wo wir gerade rechtzeitig zu einer Tasse Kaffee kommen und die delikaten Mandelplätzchen probieren, fängt Nils Leander endlich an, über seinen eigenen Hintergrund zu sprechen. Obwohl er einige Jahre Schauspieler war, will er sich nicht selbst in den Mittelpunkt stellen.
 --- Ich wuchs in einem Pfarrhaus auf, sagt Nils. Irgendwo in mir fand sich wohl früh eine sogenannte „künstlerische Ader“ --- aber ich hatte lang keine Ahnung davon, was ich mit meiner Zukunft machen sollte. Meine Eltern veranstalteten zu jedem Weihnachtsfest verschiedene Märchenspiele. Da war es ganz selbstverständlich, dass ich auftreten sollte. Am liebsten wollte ich den Prinzen spielen!   Ganz sicher war er ein überaus anziehender Bursche, als er zum allerersten Mal einem gewissen Mädchen begegnete, auf das er anscheinend sofort einen tiefen Eindruck machte. Es war groß, sommersprossig, rothaarig, neun Jahre alt --- und hieß Zarah Hedberg . . .                                                                                            
  --- Zu der Zeit besuchte ich die Oberschule in Karlstad, sagt Nils. Ich war wohl ungefähr elf Jahre alt, vielleicht zwölf. Im Sommer machte ich im värmländischen Lekvattnet Zarahs Bekanntschaft.    Ich war Klassenkamerad eines außerordentlich netten Jungen, Ante Hedberg, der mir gelegentlich von seiner „kleinen Schwester“ erzählt hatte, die Zarah hieß . . .     In Lekvattnet, etwa zehn Meilen von Karlstad, gab es ein Touristenhotel, wo Familien aus Karlstad gern ihren Urlaub verbrachten. In diesem ganz besonderen Sommer hatte ich von Papa Pontus ein Fahrrad bekommen und  als ich mit meinem teuren Geschenk zufällig am Hotel vorbeikam, stand da ein Mädchen auf der Treppe und wollte wissen, ob es mitfahren dürfe. „Auf der Stange“, erklärte es. Ich sah es an und antwortete sofort: „Ja, natürlich!“ So fuhren wir los, in rasender Eile, einen sehr langen Abhang hinunter.                    
Eine schwindelerregende Spazierfahrt                                                           
Noch heute, siebzig Jahre später, kann ich mir jene Ereignisse ins Gedächtnis zurückrufen, jede Einzelheit davon. Vor allem spüre ich immer noch, wie die flammenden, roten Haare Zarahs gegen meine Wangen schlugen. Ich wurde übermütig, fuhr schneller und schneller und als wir ans Ende des Abhangs kamen, drehte sie sich zu mir um und sagte bittend: „Fahren wir noch einmal!“ Selbstverständlich war ich sofort bereit, diesen Wunsch zu erfüllen. Ich wollte ja nichts lieber. Wenn möglich, fuhr ich jetzt noch schneller als das erste Mal, ich war fast lebensgefährlich kühn geworden. Und noch einmal streichelte jenes rote Haar mein Gesicht. Es geschah etwas sehr Merkwürdiges: Zum allerersten Mal in meinem Leben entdeckte ich, dass es Mädchen gab . . .          
Aber es sollte viele Jahre dauern, ehe sich Nils Leander und die rothaarige Zarah wieder begegneten. Nach Beendigung des Schulbesuchs wurde Nils mehr und mehr vom Theater gepackt und er ging nach Stockholm. Selbstverständlich schwebte ihm die Theaterschule des Dramaten (= Königliches Dramatisches Theater) als Ziel vor. Aber da Nils ein vernünftiger junger Mann war, beschloss er, zuerst in einer der mehr bekannten Theaterschulen der Hauptstadt den Grund zu legen, wo kein Geringerer als Gösta Ekman Lehrer war. Und so allmählich kam die erste „große Chance“, jedenfalls glaubte es Nils, ganz im Anfang seiner vorgesehenen Karriere. Er sollte als Statist im Film „Karl XII.“ mitwirken, in dem die Legende Gösta Ekman selbst den schwedischen Kriegerkönig spielte. Nils war erst zwanzig Jahre alt und sah sich schon im Geist als einen neuen Filmhelden. Hatte nicht Gösta persönlich eines Tages auf ihn geschaut und dann erklärt: „Leander müsste Karl XII. machen, bei der Nase!!"                                                                                                                                                                             
  Natürlich war der junge Nils äußerst stolz, in einem so interessanten Zusammenhang filmen zu dürfen. Er rief die Eltern an und erzählte ausführlich über seine Mitwirkung. Papa Pontus und Mama Hulda waren aus Värmland weggezogen und hatten sich in einem Pfarrhaus in Risinge in Östergötland niedergelassen. Schnell ging die Neuigkeit über des „Pastorensohns Film“ wie ein Lauffeuer durch die Gegend und alle freuten sich auf den Tag der Premiere von Karl XII. in Norrköping.                                                                                                  
 Dann kam endlich die Premiere. Alle begaben sich ins Kino, der Pastor und seine Frau, außerdem viele ihrer Freunde und Bekannten. Aber ihre Erwartungen wurden enttäuscht. Früh am nächsten Tag bekam Nils einen Anruf in zornigem Ton aus Risinge. Es war der Vater, Papa Pontus, der seinem Sohn vorhielt: „Du hast gelogen! Wir sind gestern alle zur Premiere von Karl XII. gefahren  --- aber du warst nicht dabei!!“                                                                     
    Nils beruhigte seinen verärgerten Vater mit der Erklärung, dass der Film in zwei Teilen eingespielt worden war. Er selbst wirke erst im zweiten Teil mit. Der Pastor verstand und verzieh seinem Nachkommen. Aber als dann Karl XII., Teil zwei, in Norrköping gezeigt wurde, befand sich Pastor Leander für alle Fälle nicht unter dem Publikum. Auch kein Zweiter aus der gesamten Gegend, für alle Fälle . . .                                                                                                                             
 Es wurden mehr Filme für Nils Leander. Aber nicht genug damit: Nach seiner vorbereitenden Theaterausbildung wurde er in der Theaterschule des Dramaten angenommen. Nun hatte er das erste Ziel seiner Träume erreicht . . .
 
Erkannte Zarah nicht wieder                                                                                 
    --- Mein Vater hatte eine einzige Bedingung gestellt, als er einsah, dass es mir mit dem Theater Ernst war. Vorausgesetzt, ich käme in die Theaterschule des Dramaten, erklärte er, würde ich damit eine Bestätigung erhalten, nun in einem Beruf anerkannt zu sein. Sonst müsste ich mich mit etwas anderem beschäftigen.
 Die Monate eilten nur so dahin und ich hatte es geschafft, Schüler im 2.Jahr zu werden. Wie es damals am Dramaten Brauch war, sollten wir „Älteren“ mit denen, die in die Theaterschule wollten, Texte gegenlesen. Zufällig befand sich jenes rothaarige Mädchen, dem ich vor langer Zeit begegnet war, Zarah Hedberg, ausgerechnet in der Gruppe, wo ich mich um das Gegenlesen zu kümmern hatte. Sie schaute, gut gelaunt, auf mich und sagte: „Der da ist Nils Leander!“ Ja, das konnte ich allerdings nicht leugnen. „Du erkennst mich natürlich nicht wieder“, fuhr sie fort. Ich wollte nicht zugeben, dass es mir schwerfiel, mich an sie zu erinnern, sondern antwortete übertrieben herzlich: „Aber gewiss erkenne ich dich wieder!“ „Njaaa, das glaube ich zwar nicht“, lachte sie. „Aber es war in Lekvattnet, wo wir uns sahen . . .“
    Endlich erinnerte ich mich, dass ich doch dieses Mädchen auf meinem Rad gefahren und ganz bezaubernd gefunden hatte, aber das war natürlich ziemlich lange her.
     Der Text, den Zarah einstudiert hatte, stammte aus „Salome“ von Oscar Wilde --- aber leider versagte sie bei der Prüfung. Sie wurde nicht zugelassen.
     Als Zarah vor die Jury trat, wagte ich ein Gespräch mit einer der Lehrerinnen der Schule, der mächtigen Maria Schildknecht. Ich fragte kühn, wie Frau Schildknecht Zarah Hedberg fände? „Ach, irgendeine Liebe“, antwortete sie. „Das Mädchen hat natürlich ein stattliches Aussehen, schickes Haar, aber das ist bekanntlich keine Begabung!!“
    Ich habe nicht die geringste Erinnerung daran, dass Zarah besonders verzweifelt gewesen wäre, weil sie nicht in die Theaterschule kam. Wir trafen uns bald noch häufiger, wir gingen aus und tanzten, uns verband eine Menge. Ich für mein Teil entschied mich augenblicklich für Zarah, als sich dieses zweite Mal unsere Wege kreuzten.
      Eines Tages nahmen wir uns allen Ernstes vor zusammenzubleiben. Aber es gab in einer Hinsicht Probleme --- denn Zarah wohnte in Karlstad und ich selbst hatte am Dramaten viel zu tun. Erst am Samstag hatte ich frei --- und daher fuhr ich Freitag in der Nacht hinauf nach Karlstad, Woche für Woche. Zu der Zeit eine wirklich anstrengende Zugfahrt.
     Zarah verfügte im Elternhaus über ein eigenes, abgesondertes Zimmer mit eigenem Eingang. Sie hatte mir heimlich einen Haustorschlüssel gegeben. Sobald ich in die Stadt kam --- ich glaube, dass es gegen fünf Uhr morgens war --- lief ich unverzüglich zum Haus der Familie Hedberg und schlich mich die Treppe hinauf. Dort oben konnten wir einige Stunden völlig allein sein, den Rest meines „freien Tages“ verbrachten Zarah und ich irgendwo unterwegs in der Stadt --- und dann war es wieder Zeit für mich, heim nach Stockholm zu fahren.
Das Kind wurde die Rettung                                                                        
 Mit der Zeit wurde unser Geheimnis natürlich doch entdeckt und ich verstand, dass Mutter und Vater Hedberg endgültig gegen unsere Liebe kämpften. Sie sprachen sehr deutlich davon, dass Zarah, noch so jung, sich keinesfalls verheiraten sollte! Aber wir, so wahnsinnig verliebt ineinander, wir wollten keine Einwände hören. Wir wurden, im Gegenteil, noch stärker zusammengeschmiedet. Eines Tages einigten wir uns darüber, wie wir all diesen massiven Widertand bezwingen könnten: Wir müssten ein Kind haben! Vielleicht war der Entschluss unreif, aber welche andere Möglichkeit gab es, eine Ehe zu erzwingen? Nachträglich glaube ich nicht, dass Zarahs Eltern etwas gegen mich persönlich hatten. Sie fanden nur, wie viele zu der Zeit, dass „Schauspielerei“ ein Beruf ganz ohne Ansehen war. Zarahs eigener Vater legte ja besonderen Wert auf seine angesehenen Grundstücksgeschäfte . . .
      Schließlich kam Zarah zu mir nach Stockholm und unsere Liebe wuchs und wuchs. Wie das Kind, das Zarah erwartete . . .
     Später habe ich oft über meine Liebe zu Zarah nachgedacht. Als sie begann, machte es tatsächlich „klick“, genau wie beim König --- und mein Gefühl hatte nichts mit Zarahs Schönheit zu tun. Für mich wurde jenes starke Gefühl ein ganz wunderbares Erlebnis. Zarah war in meinen Augen das Lieblichste, das es gab. Mit Massen von Sommersprossen --- die in der Tat bereits Maria Schildknecht bemängelt hatte --- aber was machte das schon? So etwas verdeckt man mit Schminke, scherzte ich gewöhnlich mit Zarah, wenn die Sommersprossen erwähnt wurden.
     Und am Ende war es Papa Pontus, der uns traute --- sogar in der Domkirche in Karlstad!
    Zarahs Eltern hatten bei der Lage auch nachgegeben. Mein Vater, ebenso wie meine Mutter, akzeptierten nicht nur unser Verhältnis, sondern gaben uns noch dazu während unserer ganzen Ehe sowohl Halt als auch Hilfe. Es waren damals schlechte Zeiten, nicht zuletzt für Schauspieler. Als ich die Theaterschule abgeschlossen hatte, fand ich in gewissen Perioden gar kein Engagement.
     Papa Pontus zeigte eine ganz große Freigebigkeit. Unter anderem sorgte er dafür, dass ein Kindermädchen auf unsere Kinder schaute, wenn wir arbeiteten. Zarah und ich bekamen nämlich zuerst eine Tochter, unser sehnlichst erwartetes Kind der Liebe, und kurze Zeit später einen kleinen willkommenen Sohn.
Eine gute Värmlandgeschichte                                                                       
Während der ersten Zeit unserer Ehe wohnten wir im Heim meiner Eltern, dem Pfarrhaus in Risinge. Es wurde später behauptet, unter anderem von Zarah selbst in ihrem Buch, Papa Pontus hätte die ständige Beschäftigung seiner Schwiegertochter mit dem Singen nicht leiden können. Sie wäre gezwungen gewesen, ihre Lieder auf dem Klosett des Pfarrhauses zu üben.
     Aber so war es durchaus nicht, keineswegs!   
    Anfangs war ich wirklich empört, zumindest tief gekränkt um meines guten Vaters willen --- aber nun, viele Jahre später, verstehe ich Zarah besser. Zarah war ja eine typische Värmländerin, und die Menschen aus dieser Provinz „verführen“ bei der Wahrheit gern ein klein wenig. Die Hauptsache für sie ist eine „gute Geschichte“. . .
    Zarah brauchte sich nie zu verstecken, wenn sie sang, das kann ich garantieren. Ganz im Gegenteil: Sie leistete meinem Vater draußen in der Pfarrgemeinde Gesellschaft, wo sie ihrer Sangesfreude reichlich Ausdruck geben konnte. Außerdem liebte sie es, an einem alten Klavier zu sitzen, das es daheim in Risinge gab, und zu singen. Papa Pontus hörte Zarah oft und gern zu.
     Allmählich veränderte ich mich aber wohl selbst. Ziemlich bald nach unserer Heirat entdeckte ich, dass ich zwar spielte, jedoch nicht die richtige Begabung hatte, um ein großer Schauspieler zu werden.
     Stattdessen beschäftigte ich mich so nach und nach mit etwas ganz Neuem: mit Büchern und Reklamen. Ein Beruf, den ich mein Leben lang beibehielt.
     Während der gemeinsamen Jahre mit Zarah ließ Nils nichts unversucht sich etwas auszudenken und darauf zu achten, dass seine Frau als Sängerin Erfolg hatte. Unter anderem organisierte er frühzeitig ein Probesingen vor dem berühmten Oscar Winge in Malmö und vor Björn Hodell in Stockholm. Sogar den Opernchef John Forsell befragte er wegen der tiefen, schönen Stimme seiner Frau. Aber zu diesem Zeitpunkt konnte man es sich in der Familie Leander nicht leisten, die Kosten für teure Gesangsstunden zu tragen, die nötig gewesenwären . wären...
Die Chance ihres Lebens                                                                                          
 Eines Tages sahen Nils und Zarah in ihrer ostgötländischen Lokalzeitung, dass Ernst Rolf nach Norrköping kommen würde. Er war unterwegs auf einer großen Tournee.
     Zarah hatte ziemlich lange ein Lied einstudiert, dasselbe, mit dem die Primadonna Margit Rosengren große Triumphe feierte. Es hieß: „Wollt ihr einen Star sehen, schaut mich an . . .“
    „Wir fahren hin, Nils“, sagte Zarah spontan zu mir, als sie die Rubrik über Ernst Rolf las. Ich hatte sofort das Gefühl, dies könnte die Chance in Zarahs Leben sein.
     Zu der Zeit besaß ich kein eigenes Auto, sondern musste Papa Pontus` Auto leihen, um Zarah vom Pfarrhaus nach Norrköping fahren zu können. Ich beschloss, zu allererst Fridolf Rhudin zu begrüßen, der in der Rolf-Revue die tragende Kraft war. Ich kannte ihn nämlich recht gut von früher.
    Aber Fridolf wehrte sich hartnäckig und sagte: „Mein Lieber, Ernst Rolf ist in sehr schlechter Laune. Wir können nichts machen, zumindest nicht heute Abend!“
     Ich verließ mich ganz auf Fridolf. Zarah und ich kehrten also nach Risinge zurück und kamen am nächsten Tag wieder nach Norrköping. Diesmal gab es überhaupt keinen, der mich bei Ernst Rolf voranmelden wollte, denn der durfte absolut nicht gestört werden.
     Aber plötzlich entschied ich mich zu handeln. Ich begab mich mit Todesverachtung im Herzen zu der Loge, von der ich wusste, dass sich dort Ernst Rolf aufhielt, sagte höflich meinen Namen und erzählte kurz gefasst, ich hätte eine Frau, die Direktor Rolf vielleicht freundlicherweise anhören wolle. „Nein, nein“, erwiderte Rolf abwehrend. „Lieber Herr Leander, bitten Sie mich nicht. Ich habe keine Zeit. Auf jedem Platz, zu dem ich komme, taucht eine Menge „alter Weiber“ auf und alle wollen in meiner Revue mitmachen. Ich kann es bloß nicht mehr bewältigen. Es ist sicherlich am besten, dass Sie wieder gehen.“
    Ja, ich musste natürlich abziehen, stand danach noch irgendwo im Foyer und nach einer Stunde kam Rolf heraus. Er erblickte Zarah augenblicklich, dicht an meiner Seite. Er drehte sich zu mir und fragte: „Ist sie das? Ist das Herrn Leanders Frau? Kalle“, rief er dann, „setz dich ans Klavier!“
Es wurde sofort ein Debüt                                                                                 
Zarah begann zu singen --- selbstverständlich „Wollt ihr einen Star sehen“, aber plötzlich verlor sie den Faden. Rolf rief derart laut, dass es im ganzen Zuschauerraum widerhallte: „Das macht nichts! Fahren Sie fort!“ Nachher befahl er: „Herr Leander, kommen Sie in meine Loge!“ Als wir uns, nochmals, dort einfanden, zog er einen Hundertkronenschein heraus und sagte: „Hier ist Geld für die Reise nach Boras. Ihre Frau debütiert nächsten Sonntag bei mir! Willkommen“, beendete er das Gespräch.
     So begann die Rolf-Tournee, die durch ganz Schweden ging. Es gab viele, unter anderen Fridolf Rhudin und Tutta Rolf, die mit dem leuchtenden Star Zarah und ihrem Mann Nils klarkommen mussten.
    Nils und Zarah zogen mit den Kindern nach Stockholm.
    Nils erhielt verschiedene Engagements, unter anderem in Skärgarden mit Rut Holm im Mosebacketheater. Aber es handelte sich die ganze Zeit um Nebenrollen, versichert er selbst.
     Zarah hingegen eilte in dem Beruf, den sie gewählt hatte, von Erfolg zu Erfolg. 1930 wurde ihr ein Engagement beim berühmten Stockholmer Ausstellungstheater angeboten. Am 7.Juni 1930 gab es eine unvergessliche Premiere der „Ausstellungsrevue“.
    Zu dem Zeitpunkt hatte sich Zarah zu einer echten Primadonna entwickelt und dieses Jahr wurde eines der besten ihrer Ehe. Die Kinder waren klein und liebreizend und der Familie war es geglückt, eine schöne Wohnung in der sogenannten Dragonerkaserne zu mieten, nahe dem Ausstellungsgelände.
    Mit einem Lächeln erinnert sich Nils Leander an seinen und Zarahs herrlichen Sommer 1930, in dem er als „Sprecher“ während der Ausstellung Arbeit fand. Wenn es für Zarah Zeit wurde, sich ins Theater zu begeben, rief er in seinen Lautsprecher: „Jetzt ist es Zeit zu gehen, Zarah!“ Und dann sah er von seiner Sprecherkabine ganz nahe der Wohnung, wie sie ihren rothaarigen Kopf aus einem der Fenster streckte und winkte. Vorläufig waren die beiden so  glücklich . . .
Wolken ziehen auf                                                                                             
 Aber nach und nach tauchten schwarze Wolken am Horizont auf. Das Problem begann damit, dass Zarah ans Vasatheater engagiert wurde, zur gleichen Zeit, als Nils anderswo arbeiten musste. Er hatte ein Angebot erhalten, in Paris zu filmen, und selbstverständlich war es schwer, einer solchen Gelegenheit zu widerstehen. Nachdem „Der General“ fertiggedreht worden war, kam Nils heim nach Schweden. Aber sofort wartete die nächste Aufgabe: noch ein Film im Ausland. Nils mochte seine Rollen, aber die ganze Zeit wusste er, dass seine Ehe durch die erzwungenen Trennungen auf eine harte Probe gestellt wurde. Allmählich bemerkte Nils nun, dass er und Zarah immer mehr eigene, getrennte Wege gingen. Zuletzt blieb als Lösung nur mehr die Scheidung übrig.
      Anfang der Dreißigerjahre wurde die Ehe, zu Beginn ganz tiefe Liebe, aufgelöst. Nils zog in eine Wohnung in der Altstadt und versuchte, fest entschlossen, die vergangenen Jahre, die Jahre mit Zarah und den Kindern, zu vergessen. Aber seine Wunden konnten nicht in Ruhe heilen, denn immer wieder stellte man ihm verschiedene verletzende Fragen. Meistens ging es darum, ob er irgendeinen Unterhalt von Zarah bekäme! Er, der niemals eine einzige Krone von seiner Exfrau annahm! Allerdings hatte er mit Zarah einen Vertrag als Impresario auf sechs Jahre abgeschlossen, aber wegen der Scheidung riss der in tausend Stücke.
    Als Nils Leander von Zarah geschieden war, lebte er zunächst in einer einfachen Pension. Die Ex-Eheleute hatten sich geeinigt, dass er sich einen Tag in der Woche um die beiden Kinder kümmern sollte, außer während des Sommers. Nils empfand ein großes Gefühl der Zusammengehörigkeit für seinen kleinen Jungen und das Mädchen. Er nahm die Kleinen jedes Wochenende wegen neuer Entdeckungen im Auto mit. Nach und nach tauchten jedoch Probleme auf. Manchmal war Nils beschäftigt, manchmal war irgendetwas anderes für die Kinder geplant. Zur gleichen Zeit vergrößerte sich die Arbeitslast für Zarah selbst immer mehr, deshalb wollte sie die kurze Zeit, die übrig blieb, mit ihrem Sohn und ihrer Tochter verbringen. Es war ihre Mutter, „Tante Hedberg“, die für Tochter und Enkel den Haushalt führte.
Verzichtete auf die Kinder                                                                            
 So kam der Tag, an dem Zarah sich vermählen sollte --- mit Vidar, dem Sohn des Opernchefs John Forsell. Damals beschloss Nils zum ersten Mal, auf jedes Umgangsrecht seinen Kindern gegenüber zu verzichten. Er verzichtete --- versichert er nachdrücklich --- ganz und gar freiwillig. Aber der Entschluss wurde den Kindern zuliebe gefasst, jetzt, wo sie einen neuen Vater bekommen sollten. Nach einiger Zeit adoptierte der Stiefvater das kleine Mädchen und den Jungen und sie erhielten beide den Nachnamen Forsell. Danach sahen sie ihren eigenen Vater während vieler Jahrzehnte nicht wieder . . .
   Vor einem Jahr änderte sich viel in Nils Leanders Leben. Da traf er nämlich seinen Sohn Göran zum ersten Mal nach 54(!) Jahren. Nils versichert, dass es sich wirklich nicht um irgendeine Art der Versöhnung handelte --- dafür gab es keinen Grund. Er und die beiden Kinder aus der Ehe mit Zarah waren nie Feinde gewesen --- sie lebten nur getrennt voneinander.
    Dann beginnt Nils über seine Enkelin Malin zu sprechen, die ihn in Lund besucht.
    Göran wohnt, genau wie Nils einmal vor langer Zeit, im Herzen der Altstadt. Dort kam sein Vater mit dem Halbbruder Peter zusammen (geboren in einer späteren Ehe) und die drei verbrachten laut Nils einige ganz fantastische Stunden. Später einigten sie sich darauf, künftig immer in Verbindung zu bleiben.
    --- Es war seltsam, meinem Göran nach so langer Zeit zu begegnen, sagt Nils mit großer Zärtlichkeit in der Stimme. Denn ich empfand es, als ob es gestern gewesen wäre. Alle Jahre waren wie durch ein Wunder verschwunden . . .
    Ohne Zweifel ist alles im Leben für Göran gut gegangen, setzt Nils fort. Er wurde Chef in einer Papierfabrik im Värmland und heiratete die Tochter des Verlegers Bonnier . . . Auch mein und Zarahs Mädchen, Boel, hat es außerordentlich gut getroffen --- sie ist verheiratet und lebt in der Schweiz.
    Im Vorjahr fuhr Nils Leander von Schonen hinauf nach Stockholm, um bei einem der spannendsten Ereignisse seines Lebens dabei zu sein. Er wollte die Schauspielerin Evabritt Strandberg im Intiman auftreten sehen --- in der Rolle als seine eigene Frau in Jugendjahren, Zarah Leander!
   --- Ich hatte eine rote Rose für Evabritt Strandberg bei mir, erzählt Nils. Sie war sie wert, tausendfach. Ich muss es sagen, so unbeschreiblich groß ich Zarah als Künstlerin auch fand: In gewissen Momenten an diesem Abend schien mir Evabritt sogar besser zu sein als das Original! Wenn es einer wissen musste, dann wohl ich . . .
    Wir sind am Ende unseres Gesprächs angekommen. Nils muss sich binnen Kurzem mit einer seiner vielen Tätigkeiten beschäftigen, unter anderem mit der Bass-Tuba, in jenem Tageszentrum, das auf die alten Tage zu einem unentbehrlichen Teil seines Lebens geworden ist. Er kommt mit anderen Leuten zusammen, betreibt ein wenig Sport, und außerdem erwarten ihn ja ständig spannende Ereignisse innerhalb der „Seniorenakademie“, Lektionen, Vorträge von berühmten Professoren --- über das Problem des Alterns zum Beispiel.
Das Altern, ja. Daran will Nils Leander wirklich keine negativen Gedanken verschwenden. Er fährt damit fort, sein Leben auf die Weise zu leben, die er am besten findet, genauso wie in den Jahren, die er wahrscheinlich nie ganz vergessen kann: die Jahre zusammen mit Zarah Leander.
Als eine Art Erklärung sagt er, bevor er sich verabschiedet: --- Lange Zeit war ich von Zarah völlig fasziniert. Sie war eine starke Frau, vielleicht bedeutend stärker als ich selbst. Doch ich gebe zu, dass Zarah eine große Liebe in meinem Leben war.
Aber das Leben musste ja weitergehen. Sowohl für sie als auch für mich.

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