Paul Seilers ZARAH LEANDER Archiv

roter Pfeil A R C H I V 1930-36 - 11

Bilder, Fotos, Zeitungsausschnitte etc. aus den Jahren 1930-36




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Zeichenreportage von Karl Gerhards Revue „Unter uns Griechen“ im Volkstheater.
von Birger Lundquist
 
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Übersetzung des obigen Artikels der Stockholmer Zeitung

Scenen Nr. 12 / 1933:

Revolten von Revuekönigen

Muss eine Revue amüsant sein? - - - Pfiffe bei Auftritten im Volkstheater und in der Komödie - - - Karl Gerhards und Gösta Chathams Revuen sind eine zweischneidige Angelegenheit.
 
-- in verschiedenster Art auf die Bühne gebracht, mehr oder weniger dramatische Werke, wo die auftretenden Personen in den gesungenen Couplets aus Tagesereignissen schöpfen oder darauf anspielen. Gewöhnlich kommen einander Aktualität und Unterhaltung wechselseitig zugute (Ballett, reiche Ausstattung usw.). Neujahr, Mittsommer und andere stark beachtete Daten, jeder Anlass wird für Revuen genutzt, deren Inhalt eine Übersicht von den Ereignissen vergangener Zeiten geben will.
 
„Nordisk Familjeboks“ hat dieses Spektakel beschrieben. Ich bin gezwungen, das aufzugreifen, denn ich fühle mich im Parkett des Volkstheaters und des Komödientheaters etwas verwirrt, wo Karl Gerhard und Gösta Chatham dieses Jahr die Form von Theater zeigen, die Revue genannt wird. Man hat sich gefragt: Muss eine Revue amüsant sein? Und das Fragezeichen ist vermutlich aus dem Grund entstanden, weil den beiden Verfassern ein klein wenig sowohl Genie als auch Geschmack fehlen. Hier und dort. Man hat sich stellenweise gelangweilt. Niemand wünscht sich länger irgendeine nordländische Punschheiterkeit , braucht sie vermutlich kaum, und das Rolfsche Sonnenscheinlächeln scheint mit dessen königlichem Verbreiter ins Grab gesunken zu sein.(Ernst Rolf, siehe Anmerkung). (. . .) Sicherlich wollen wir uns in einer Revue erst einmal gut unterhalten. Karl Gerhards Humor, Ironie und Satire sind für manche Balsam, von denen die Presse z.B. glaubt, sie zur Klassenkampf-, Korruptions- und Cliquengesellschaft zählen zu müssen. Er ist der freie, unbestechliche Kritiker, „der elegante Wahrheitssager“, der seine Seitenhiebe nach rechts und links austeilt, unabhängig von der politischen Hemdfarbe, weder auf die Adligen noch auf die Maurerlehrlinge bezogen. Wie ein roter Faden zieht sich die Verachtung der Dummheit durch die boshafte Ausschmückung seiner Verse und durch dieses Pathos in seinen Couplets lebte er so manches Jahr auf großem Fuß. Aber wenn die Ausbeute abnimmt, werden die Couplets schwach. Er hat nicht den richtigen Blick für eine Neuorientierung in der Stoffauswahl, die Nervosität überträgt sich meist auf Ebba und Gösta, auf Pauline und Herrn Thoresen und auf andere. Die Theaterleute und die gute Gesellschaft, von Zeit zu Zeit auch Mitglieder des Königshauses, werden an den Haaren gezogen und gekämmt und durchleiden Karl Gerhards gekünstelte Behandlung , bei der sie einige Male aufpassen müssen, dass sie nicht beinahe die Haare verlieren und die Nägel abgerissen werden. ( . . . ) Der Verfasser einer Revue darf nicht zu einem schlafenden Reporter werden. Und wenn man wie Karl Gerhard so leicht mit Versen und Reimen spielt, ist es unverzeihlich, sich mit der diesjährigen knappen Ration zu begnügen. Außerdem ist es völlig unnötig, Eulen nach Athen zu tragen und sich von Onkel Aristophanes 427 v.Chr. aufgeführte Dramen auszuleihen, um sie als Anregung für ein sogenanntes Revuefundament zu verwenden.
 
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Von Karl Gerhards neugriechisch gewordener Volksküche bringen wir vor allem ein Bild von Aristophanes dem Jüngeren, auf dessen Namen Karl Gerhard neu getauft wurde, und Frau Calle Hagmann. Darunter ein Bild vom Tanz der dicken Grazien: die Herren Gustafsson, Hagmann, Abrahamsson und Bengtsson. Ferner ein Ballettbild im Zeichen des Hakenkreuzes mit der reizenden Karen Scheutz in der Mitte und schließlich Lysistrata selbst, vollendet schön verkörpert durch Zarah Leander. In Chathams hörna arbeiten vier Mädchen, deren schöne Köpfe die Mitte dieser Doppelseite schmücken. Es sind links Anna Lisa Ryding und unterhalb von ihr Dora Söderberg. Rechts Lisskulla Jobs und Aino Taube, die ihre gesamten Fähigkeiten in der Revuekunst ausprobiert und als Sängerinnen debütiert haben. (. . .)
 
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Da ja ein gebranntes Kind geröstetes Brot scheut, wird Karl Gerhard sicher bis zur nächsten Revue so manche der Schlüpfrigkeiten, die leider in den Dialogen des Jahres vorkamen, entfernen. Wir sind ja bekanntlich nicht gerade besonders prüde, Zweideutigkeiten werden uns von so mancher Rampe serviert. Wir errichten keine Hitlerscheiterhaufen. Sittlichkeitsfeuer hat es hier nicht mehr gegeben, seit der selige Enar Sahlin Nick-Carter-Literatur und Ansichtskarten französischer Damen im Schulhof der Oberschule von Östermalm verbrannte. „Die vollkommene Ehe“ war zu der Zeit noch nicht erfunden.

Seitdem nun Karl Gerhard sein Notizbuch vollgekritzelt hat und ich überzeugt bin, dass er sich für die beste Betragensnote qualifizieren wird, können wir ihm getrost ein dichtes Premierenprogramm überlassen: Er selbst mit noch immer möglichst abgerundeter Vortragskunst, Zarah Leander als eine prachtvolle, statuarisch schöne Lysistrata und in einer glänzenden Garbo - Imitation, der Weltartist Calle Hagman in der besten Nummer der Revue „Unter uns Griechen“. ( . . .) Es ist möglich, dass das Programm noch mehr Attraktionen aufnimmt, denn der Sommer ist lang, zumindest laut Kalender, und dieser ist der letzte Sommer der „Bühne“, aber nicht die letzte Nummer. - Wohin sollten übrigens die Stockholmer im Sommer gehen, wenn nicht in die Gerhard - Revuen? Der alte Wahlspruch „Natürlich das Volkstheater!“ gilt bei jedem Wetter, auch wenn es Unwetter unter uns Kritikern gibt. Also sicher ein Erfolg trotz politischer Pfiffe!
 
Chathams hörna kann man natürlich auch besuchen, nur die ausgepfiffene Szene mit dem Begräbniscouplet wurde gestrichen. Der berühmte Verfasser ist vielleicht für den Titel „Revuekönig“ noch nicht reif, wie die Schlagzeile andeutet, aber Rebellionen sind offensichtlich eine so gute Hilfe in diesen Revuetragödien, dass der große Mann mit seinen Methoden gegen herkömmliche Revueformen den Titel verdient - wenn er auch nur König für einen Tag oder einen Sommer bleibt. Streiflichter und Kunstgriffe von wirklicher Genialität, blühender Humor und groteske Fantasie - vieles davon bewundern wir und verfolgen bei Künstlern und Zeichnern, wie erfolgreich sie das Resultat auf der Bühne umgesetzt haben. Aber einiges wirkt abgenutzt, manches vollkommen verrückt. Der Schritt vom Parnass der schönen Literatur bis ins Todesschattental ist nicht immer so groß. Wir rufen jetzt ziemlich oft Hurra bei dem hauchdünnen Unterschied zwischen den falschen und den echten Spaniern, sowohl in der Kunst als auch in der Literatur. Chatham bietet viel Kunst an, aber auch manche Merkwürdigkeit. Und seine Mitarbeiter und Komplizen haben ihn nicht ausschließlich unterstützt. ( . . . )
 
Zuletzt ein Dank für alle alten fröhlichen Lieder und Melodien, die da aus beiden Richtungen erklangen, Gott weiß, welches Mal aus Kapellen oder Klangkästen: Lustige Witwe, Samson und Dalilah, Tu sais, Benatzkys „Frühlingsphantasie“ usw. (. . . ) Nach welcher Melodie sollen wir unter dem weiten, hellen Sommerhimmel tanzen?
 
Text unter den Bildern auf Seite 17: Rechts: Zarah Leander - wer sonst in „Unter uns Griechen“ Links: Die Herren Bengtsson, Hagman und Gustafsson, die - ja das sehen Sie selbst. – Aber der gute Karl Gerhard schleppte auch den ergrauten Hindenburg auf die Bühne. Mit den anderen Spaßvögeln ist das eine andere Sache! Anmerkung: Ernst Rolf (1891 - 1932) starb nach einem missglückten Selbstmordversuch durch Ertränken an einer Lungenentzündung.
Ein Foto mit Widmung von Max Reinhardt links auf dem Flügel 
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Zarah Leander

hat ihr neues Heim in Besitz genommen

Thesy auf Interviewbesuch bei der Künstlerin
 
In einem eleganten grauen Flanellkostüm - die gut passende Schulterpartie sagt mir, dass Lidvall der Schneider gewesen sein muss - wendet sich Lysistrata privat mir zu. Meine Halluzinationen von streitbaren Griechinnen mit Mäanderornamenten auf den Rocksäumen und attischem Salz auf der Zungenspitze schwinden, als ich durch die ganz neuen Forsellschen Türen in der John Ericsonsgatan 3 eintrete. Und Zarah lächelt ihr bezauberndstes Lächeln, obwohl sie Interviewer verabscheut wie ich. Und das ist übrigens kein Wunder!
Nehmen Sie Platz, sagt sie mit ihrer dunklen, angenehmen Stimme. Ich sinke in eine weiche Sofaecke, während die Gastgeberin einige schief stehende Rosen zurechtrückt. Die ganze Wohnung ist voll von Blumen. In großen Krügen stehen sie auf dem Boden. Überall. Ich erkenne einige wieder: Sie stammen aus der riesigen Blumenernte der Premiere. Man merkt an allem, dass das schöne Heim von Zarahs Persönlichkeit geprägt wird.
 
Ich liebe es, hier im Haus alles zu regeln, sagt Frau Forsell spontan. Gibt es übrigens etwas Interessanteres als Raumgestaltung?
Man braucht sich in dem großen, gemütlichen, hellgelben Wohnzimmer nicht lange umzusehen, um zu verstehen, dass Zarah meint, was sie sagt. Ein mandelgrüner Teppich über hellem Fußboden bildet einen schönen Kontrast zu den heiteren Wänden. Große, einladende Fauteuils, einige von ihnen pfirsichfarben, im Stil der Neuen Sachlichkeit, niedriger Tisch, schöne Lampenschirme, Landschaft von Gustaf Carlström. Auf dem Arbeitstisch in der Nähe des Fensters steht die Fotografie im Riesenformat von keinem Geringeren als Max Reinhardt. „In verehrter Erinnerung“ sehe ich da, eigenhändig schön geschrieben.
 
Reinhardt, oh! Für ihn empfinde ich aufrichtige Bewunderung, sagt Zarah. Wie schön wäre es, wenn das Gerücht stimmte, dass er hierherkommen will.
Meine Zukunftspläne? Muss ich immer welche haben? fragt Zarah mit einem vielsagenden Blick. Kann es nicht genug sein, dass ich gerade mit der Revue „Unter uns Griechen“ beschäftigt bin, die ich für glänzend halte. Die Herren Kritiker mögen schreiben, was sie wollen. Das Publikum scheint jedenfalls, den Beifallsstürmen nach, die wir jeden Abend zu hören kriegen, entzückt zu sein. Es ist wunderschön, eine Rolle wie die der Lysistrata zu spielen. Und mit meinen Kostümen bin ich wirklich zufrieden, gestaltet von Niels Bagge und geschneidert bei Herrn Jacobsson im NK (siehe Anmerkung). Schön - nicht wahr?

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