Paul Seilers ZARAH LEANDER Archiv

roter Pfeil A R C H I V 1930-36 - 13

Bilder, Fotos, Zeitungsausschnitte etc. aus den Jahren 1930-36




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Die sprechende Zarah
Von Erik Lindorm
 
 
 
Zu einem Mann von Welt gehört es ja bekanntlich, herablassend und vergesslich denen gegenüber zu sein, die ihn einmal amüsiert haben. Besonders in diesem ersten Land muss man mit seinen Erinnerungen sehr genau umgehen. An Scanches Hamlet darf man sich erinnern – noch besser an den von August Lindberg – doch ist es riskant, nach so vielen Jahren das französische Lustspiel "Kokottenschule" ins Bewusstsein zurückzurufen und sich sogar an den Namen der Heldin zu erinnern.
Aber ich lasse es darauf ankommen. Ich saß vor gut einem Dutzend Jahren genau hier im alten Folkan-Theater und genoss ungemein Arlont-Gerbidons geistreiche Farce, die sowohl mit der Welt als auch mit der Halbwelt ihren Spott treibt. Mit seinen drei gut aufgebauten Akten, die gleich viele Stufen für die Karriere eines jungen Mädchens von der kleinen Freundin bis zur vornehmen Kokotte bilden, bewahrte das kleine Stück einen gewissen Wert, den größere Stücke nicht immer haben. Es hatte sogar seine eigene Moral – alt wie die Straße, älter als der Boulevard – aber erwägenswert in jedem Fall; man war am glücklichsten, wenn man einfach und arm war und wenn man liebte. Und noch lebt Ann Sofi Norin frisch im Gedächtnis, die dort als Ginette die Rolle ihres Lebens gefunden hatte.
Aber wo ist Ann Sofi Norin jetzt? Es war wohl vor dreizehn Jahren, da brach sie auf, der Sonne entgegen; eine höchst unglückliche Geschichte. Und wie viele kleine Ginettes sind nicht während derselben Zeitspanne unbemerkt auf ihrem Weg ausgerutscht, wie vielen neuen Jahresmodellen von Mädchen ist es seitdem nicht genau so ergangen. Aber ach, weshalb über gefallene Mädchen vom Vorjahr reden. Nicht sentimental werden …
Nun ist es nicht länger Ann Sofi Norin, nun ist es – im Spiel nicht genau ihre Tochter - Zarah Leander. Nun strahlt der Scheinwerfer auf sie, und nun ist es sie, deren Name fett gedruckt im Programm steht. Se ist sogar so berühmt geworden, dass sie den Nachnamen weggelassen hat – ZARAH steht da! Auch aus rein praktischen Gesichtspunkten ist das verständlich; mit dem Nachnamen kann es bei Schauspielerinnen recht kompliziert werden. Wenn sie nichts weiter aus ihrer Mädchenzeit behalten können, dann müssen sie ihren Mädchennamen gut verteidigen.
Zarah war die Sensation. Ein sehr vornehmes und zum Teil neues Publikum verfolgte mit Spannung ihren Sprung von der Revue zum Sprechstück. Würde sie wieder auf die Füße kommen oder würde sie sich – Verzeihung! – auf ihren Popo setzen?
Zarah fiel auf die Füße. Sie wurde sogar in jedem Akt besser und besser und als sie schließlich als vollendete und melancholische Weltkokotte dastand, fragte man sich, ob ihre Begabung nicht mehr im Trauer- als im Lustspiel liege. Als natürliche junge Straßenblume fehlte es ihr an Unmittelbarkeit. Sie schien, rein physisch gesehen, zu lang und zu breit im Format für die kleine Bühne. Aber sie schlüpfte unverzagt in die löcherigen Seidenstrümpfe und ausgetretenen Pantoffeln und kam dann schnell eine Klasse höher in der Kokottenschule – übrigens eine gemischte Schule für Knaben und Mädchen – wo sie geschützter war. Je vornehmer die Kleider wurden, desto besser ertrug sie sie und den damit verbundenen Seelenzustand. Als Königin für einen Tag auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten war sie einmalig in ihrer traurigen Pracht, ja, sie ruhte mit ihren Tränen, die von innen kamen. Vielleicht sollten wir Zarah einmal nicht nur als die Göttliche, sondern auch als Mensch sehen? Zarah ist bei den Sprechszenen mit heiler Haut davongekommen, und wir wünschen uns, sie in tiefsinnigeren Aufgaben zu sehen. Die nächste Stufen wird wohl der Tonfilm sein.
Die "Kokottenschule" lief in ihrer Gesamtheit glatter und flotter als frühere Male. Karl Gerhard war als Übersetzer und Regisseur der Versuchung erlegen, das Stück wegen der Pointen in die Länge zu ziehen und zu überladen. Und das ist gefährlich – auch wenn nun einmal "kleine Handarbeit betörend ist". Sein alter Graf jedoch war ein Typ aus dem guten Strix-Jahrgang, weich in den Knien durch die Ahnen, mit dem unerschütterlichen Blick eines Weltmanns hinter dem Monokel und kultiviert bis in die Fingerspitzen. Eine konsequent und straff ausgeführte Karikatur, die erfreute. Emy Hagmans Dialekt verfehlte seine Wirkung nicht, und Peggy Lindbergs Haushälterin kam ebenfalls direkt von der Revue. Das tat auch Gustav Wally, der so freundlich ist zuzuschauen, aber vorläufig mit den Beinen, der Zunge und den Augen redet. Die Herren Brunman und Bengtsson arbeiteten zu viel im germanischen Schwergewicht für dieses leichte französische Stück. Nicht einmal Nordfranzosen dürfen über hundert Kilo wiegen.
Es gab Jubel wie bei einer Schulabschlussfeier. Das alte Folkan ist aus seinem Winterschlaf erwacht, und bald kommt Karl Gerhards Revue.
Zu den Bildern:
rechts: Zarah als Kokotte.
links: Karl Gerhard als alter Graf.
 
 
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Folmjournalen Schweden Nr.33/1934:
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