A R C H I V 1930-36 - 16
Bilder, Fotos, Zeitungsausschnitte etc. aus den Jahren 1930-36
WER IST IHR FILMIDOL ?



Zarah Leander besucht 1935 Moskau
ZARAH LEANDER:
RUSSISCHES THEATER TROTZ ALLEM ÜBERSCHÄTZT
Bezeichnet das schöpferische Sowjettheater als
eine Psychose, ein Reklameprodukt




Zarah Leanders Besuch in Moskau 1935:

Das freudlose Land
Europas größtes Volk kann sich nicht zwischen
Europas größten Naturreichtümern entscheiden.
- - - Persönlicher Eindruck aus der Sowjetunion
von Zarah Leander




Zarah Leander besucht 1935 Moskau,
ein persönlicher Bericht der Künstlerin:

Zarah Leander (zweite von rechts) in Moskau zu einem Kultutkongress.In der Mitte Andersen-Nexö.
Die Theaterbombe in meinem Leben
Oper war für mich eine unvollkommene Kunstgattung, bis ich nach Moskau kam …
von
Zarah Leander
"Nun werde ich auch zu schreiben beginnen – die Erfolge anderer Primadonnenlassen mir keine Ruhe … Das sagt Zarah Leander scherzend am Vorabend ihrer Reise nach Russland, wo sie das Theater erforschen will. Und hier kommt das Resultat ihres stolzen Versprechens an das Vecko-Journal – der erste Artikel in einer Serie persönlich gehaltener Reisebriefe, erste schriftstellerische Versuche dieser vielseitigen Künstlerin. Als wir Frau Leander vor ihrer Abreise gründlich auf den Zahn fühlten, kam es auch heraus, dass sie mit dem Gedanken spielt, zur Sprechbühne überzuwechseln und dass diese Reise ein Teil ihrer Ausbildung ist.
Zarah Leander hat das Wort:
Die Moskauer sind ein marschierendes Volk, das wurde mir schon am ersten Tag in der sowjetischen Hauptstadt klar.
Ich wollte ins Große Theater gehen, das heißt, ich und etwa zwanzig Ausländer folgten wie brave Volksschulkinder auf Stockholmbesuch dem weiblichen Fremdenführer auf den Fersen (am nächsten Tag murrte die Führerin, sie habe noch nie mit einer so "undisziplinierten Touristengruppe" zu tun gehabt, aber sie war auch erst frisch und energisch aus der sowjetischen Fremdenführerschule gekommen) – kurz und gut, wir wollten ins Große Theater, wo die alljährlich wiederkehrenden Theaterfestspiele (nun zum dritten Mal) mit der Aufführung der Oper "Sadko" eröffnet werden sollten; schwedischem Publikum vielleicht nicht gerade wohlbekannt, aber in Stockholm schon aufgeführt. Nun, bereits in der Drehtür des Hotels bemerkte ich, dass da irgendetwas los war; das wohlbekannte Geräusch einer versammelten Menschenmasse schlug mir entgegen – dabei fallen mir immer krabbelnde Krebse in einem Korb ein – oder wenn ich zwischen den Hausmauern Fragmente von Liedern und Musikstücken zu hören kriege. Ich begriff, dass ich Zeuge sein sollte, wie Moskaus vier Millionen Einwohner die Eröffnung der Theatersaison feierten und ich zeigte mich tief beeindruckt. Dieses Gefühl änderte sich, als ich während des kurzen Spaziergangs zum Theater bemerkte, dass alle Straßen für den Verkehr gesperrt waren: Große Lastautos verstellten die Straßeneinmündungen, davor bildete die Polizei Ketten. Mit der Führerin an der Spitze, bahnten wir uns einen Weg durch die erste Straßensperre; das ging nicht ohne Verhandlungen zwischen der Führerin und dem herbeigerufenen Polizeioffizier, der ein wenig sonderbar wirkte, mich aber in dem Glauben bestärkte, in ein Land gekommen zu sein, wo man für Ordnung sorgte und die Kontrolle nicht lockerte. Wir kamen in eine große Avenue ohne Anfang und Ende, so breit wie der Gustav-Adolf-Platz; sie war voll von Kolonnen, die offenbar damit rechneten, sich in Marsch zu setzen. Lauter Jugend: Mädchen mit kräftigen Beinen in farbenprächtigen Gymnastikkostümen sowie junge Männer in weißen Hemden und roten Schlipsen. Man trug eine Menge Fahnen, Plakate und Bilder von Stalin und es wurde ohne Unterbrechung gesungen. Ich dachte, falls es die Absicht des Kommissars für Propaganda gewesen war, mit seinen Anordnungen die erschöpften Theatertouristen aus 25 Ländern unter Druck zu setzen, so hatte der Unterzeichnete sein Ziel jedenfalls erreicht. Nun waren wir in die "Pistolenschussweite" vor das Große Theater gekommen (das weniger gebräuchliche Längenmaß ist hier ganz natürlich, wo man ständig Soldaten begegnet, von deren Gürteln Pistolenhalfter baumeln; die nächste Vorkehrung ist die "Lautsprecherschussweite"). Eine letzte Zuschauermauer, an der Vorderseite mit weißen Polizeihelmen geschmückt, trennt uns von unserem Ziel. Wir durchbrechen die Masse genauso wie einst die kaiserlichen Kosaken. Und glücklich und erleichtert stürmt eine vom Siegesrausch erfasste Touristenhorde durch die Pforten des Großen Theaters und ist außerhalb der Pistolenschussweite …
Die Festspiele in Moskau wurden mit verschiedenen Reden von Herren in bescheidenen Sakkos eröffnet. "Sadko" zeigte man in umso anspruchsvolleren Kostümen. Über die Reden lässt sich nur Gutes sagen, weil sie auf Russisch gehalten wurden. "Sadko" war hingegen eine Enttäuschung. Mit beispiellosen Möglichkeiten – 600 Menschen waren gleichzeitig auf der Bühne! – wurde versucht, reine Showeffekte zu erzielen, jedoch mit unreinem Gesang und erschreckenden Opernschablonen. Man sagt, nicht ohne Stolz, dass die russische Revolution 1917 alles Alte hinweggefegt habe – auf die Theaterchöre hat sie jedenfalls vergessen, das ist gewiss! Im Zwischenakt gelang es mir, den Intendanten zu treffen, einen schüchternen, ein wenig hilflos dreinblickenden jungen Mann, dessen Name unwichtig ist. Die Gespräche wurden – als steckten die Interviews noch in den Kinderschuhen – mit einem Dolmetscher geführt. Es zeigte sich, dass das Theater unter idealen Verhältnissen arbeitete; es gab keine Grenzen, wenn es galt, künstlerische Ideen zu verwirklichen, besonders bei der Gestaltung des Bühnenraums. Auf meine Frage, ob der Intendant selbst ausübender Künstler sei, verneinte man energisch. – Als ich einige Minuten später in dem großen Revueaquarium der Elchwaldfischerei von Sadkos Spielmann zuschaute, dachte ich mir, dass es doch eine Grenze für die künstlerischen Ideen außerhalb des Bühnenraumes gibt, nämlich den sachkundigen Theaterführer. Meyerhold, der weltberühmte Regisseur, derzeit auf Tournee, arbeitete daran, auch die Grenzen des Bühnenraums zu sprengen. In seinem Theater, das umgebaut wird, nimmt unter anderem das Orchester auf der Bühne Platz und in den Zuschauerraum wird eine Autobahn gelegt – die Decke erweitert sich, so dass man Platz für ein Flugzeug bekommt!
Am nächsten Morgen wurde mir klar, dass das Straßenvorspiel mit dem Opernbesuch in gar keinem Zusammenhang stand; in den "Moskauer täglichen Neuigkeiten", eine von den drei täglichen Zeitungen, die zur Erbauung für Fremde herausgegeben werden, identifizierte ich die singenden Jugendkolonnen mit der 21. Demonstration der Internationalen Jugendtage, die stattfanden, um "die grenzenlose Liebe zur Partei, zum großen Stalin und zur militärischen Demonstration junger Arbeiter gegen Faschismus und Krieg" zu zeigen etc.
Ein paar recht farblose Theatertage gingen vorbei und ich wollte schon heimreisen und meine Zeit besser nützen, als die wahre Künstlerbombe zu meinen Füßen explodierte und mir für einige Stunden die Ruhe raubte und mich sprachlos machte: die Oper "Katharina Ismailowa" mit der Musik des 29-jährigen Dimitri Schostakowitsch. Das ist ein Name, den sich die Welt merken muss. Das Werk, das im Herbst in der Oper unter dem abgenutzten Namen "Lady Macbeth" gegeben wird, spielt im russischen Bauernmilieu während der Zarenzeit. Katharina Ismailowa vergiftet ihren Schwiegervater und tötet ihren Mann mit Hilfe ihres Liebhabers, dem späteren hübschen Knecht, einem Alfons-Typ. Die Verbrecher feiern Hochzeit. Im Augenblick des Triumphs erscheint die Polizei. Im letzten Akt sieht man sie in einem Gefangenentransport, der auf dem Weg nach Sibirien Halt macht. Der Exliebhaber, das heißt der jetzige Mann, entdeckt seine Gefühle für eine zweifelhafte Damen aus dem Transport. Beim Überqueren eines Flusses stürzt sich Katharina Ismailowa auf ihre Rivalin und miteinander singend, fallen sie in die Fluten …Ich hatte immer den Eindruck, dass Oper eine unvollkommene Kunstgattung sei, eine antiquierte Schau, die die musikliebenden heutigen Menschen durch das Fernrohr eines kindlichen Gemüts betrachten. Ich glaubte, die wirklichen raschen Rhythmen des Lebens müssten im Libretto zum Ausdruck kommen und sollten immer, so wie ein Eichhörnchen, im Rad des Musikdramas herumspringen, das sich nur schwerfällig dreht. Nach der Vorstellung von "Katharina Ismailowa", die ich in Moskau sah und hörte, muss ich als Laie ehrlich bekennen, dass dieses Drama und diese Musik das größte künstlerischen Erlebnis waren, das ich hatte. Die Handlung scheint einfach, vielleicht nicht ganz passend für Konfirmanden, aber für mich hat sie etwas von der gleichen starken Spannung wie ein gut gemachter Gangsterfilm. Die Musik von Schostakowitsch tut nichts, um die Spannung abzumildern; sie ist mit der Handlung ganz eng verbunden, ja, sie treibt sie mit einer Energie voran, dass es ein Opernsänger – das will ich wenigstens hoffen - gerade noch schafft, mit seinen drei Gesten das Letzte zu geben. Der Komponist arbeitete auch am Libretto mit, was vieles erklärt. So ist dieser Vater in einer außerordentlich komischen Szene in einer Polizeiwachstube aus der "alten, guten Zeit".
Der Platz – noch immer wenig Möglichkeit, was das betrifft – erlaubt keine genauere Analyse der Musik. Ich fand sie gut und sie erzählte für mich im reinsten Schwedisch. Die Darsteller waren dramatisch echte Künstler mit den Stimmen von Opernsängern. Besonders großartig war die Darstellerin der Katharina Ismailowa, Genossin E. Leschinskaja, eine große hochgewachsene Frau mit freigebigen Formen, die in Hass und Lust hin- und herwogten. Ja, das nenne ich eine richtige Frau! Sie gab mir neuen Lebensmut; seit mich ein Kritiker eine "Riesendame" nannte, "die versuche, unbemerkt zu bleiben", litt ich unter Hemmungen.
Text zu den Bildern:
Seite 1, großes Bild:
Zarah Leander zeigt ein neues interessantes Gesicht in dem Film "Ehespiele".
Seite 2, Bild rechts oben:
Frau Leander will gerade etwas schreiben.
Seite 1 und 2, untere Bilder: Einige Szenen aus der faszinierenden Oper "Katharina Ismailowa" und deren junger Komponist Schostakowitsch.
Allers Stockholm Nr.39/1935:
Die Stars am Theaterhimmel im Herbst


IDUN Stockholm Nr.20/1936:

DIE FRÜHJAHRSMÄSSIG GEKLEIDETE STOCKHOLMERIN
Mit karierten Kappen und Silberfüchsen begrüßt die Stockholmerin den Frühling

ZARAH LEANDER IN ELEGANTEM KOSTÜM
UND FILZHUT IN DER NEUEN FORM EINES BOOTES.
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