A R C H I V 1930-36 - 3
Bilder, Fotos, Zeitungsausschnitte etc. aus den Jahren 1930-36
Berichte und Kritiken zu Zarah Leanders Filmen, Revuen, Shows und Theaterstücken. Plakate, Schaukastenfotos, Programmhefte, Titelbilder und Zeitungsartikel von 1930 bis 1973. Diverse Porträts und etliche Artikel unter anderem auch aus schwedischen Zeitungen, teilweise mit Übersetzung.










Schwedische Genies:
Das erste Interview mit Zarah Leander
Jan Gabrielsson war Zarah Leanders Privatsekretär während der Arbeit an ihren Memoiren. Derzeit beschäftigt er sich mit dem „ ersten Interview“ unseres großen Stars, datiert Gävle 1929, vermehrt durch Fragen und Antworten zuverlässiger Interviews und Artikel aus dieser Zeit.
---Sie ist wie Burgunder, stammelt der Reporter 1929 in Gävle.
Gävle, im November 1929
Der Novembernebel liegt unangenehm tief über Gävle, der lebendigen Handelsstadt am Meer und raue Luft strömt aus Östersjön herein. Ein Anreisender hat keine Schwierigkeit, die deutliche Klimagrenze zwischen Tobo und Tierp zu bemerken, wenn er mit der Eisenbahn fährt. Norrland beginnt zweifellos in Tierp und nicht am Dalälv, wie die Leute glauben. Und in Norrland ist der Winter bedrohlich nahe.
Gävle ist eine schöne Stadt, in der einem vieles auffällt: gute Geschäftshäuser, Erste-Klasse-Hotels und Restaurants, elegante Straßen und Parks. Und vor allem das einzigartige, schöne Theater in der Rathausstraße, erbaut 1878, das aber nun, nach 50 Jahren, dringend renoviert werden müsste.
Durch den leichten Nebel leuchtet es rot auf die Staketstraße, was bedeutet, dass auch die letzte Vorstellung von „Rolfs Revue 1929“ ausverkauft ist, trotz der Kartenpreise, die sich mit denen des Stockholmer Theaters vergleichen lassen: 7,75 im Parkett! An den Plakatsäulen der groß aufgemachte Anschlag mit der wohlbekannten Mitteilung zum Revuekönig selbst (er liegt angeblich krank in Ulricehamn), zu Margit Rosengren, die nie an einer Tournee teilnimmt und zu Eric Gustafson, der auch nicht mitwirkt. Das ist ziemlich unverschämt und bezeichnend für Rolf!
Ein Gerücht hat uns ganz einfach in den Hafen Norrlands geführt, in die freundliche Stadt mit dem augenblicklich unfreundlichen Wetter. Dieses Gerücht ist kaum zwei Wochen alt und erzählt über den sensationellen schwedischen Fund des Revuekönigs, der Abwechslung in Rolfs ständigen Import von Talenten aus Norwegen bringt.
Noch hat das Gerücht die Öffentlichkeit kaum erreicht, außer einer Handvoll mittelschwedischer Städte wie zum Beispiel Boras, Örebro, Arvika etc. Aber in den „Kreisen“, in der schwedischen Vergnügungswelt, die mit fortlaufender Amerikanisierung wohl bald „show-business“ genannt wird - dort flüstert man darüber . Dort geht es seit Tagen um den Namen Zarah Leander. Kaum mehr als eine Debütantin, nennt man sie schon „Primadonna“ und „Revue – Star“.
Schön wi e Garbo
Nach dem Hörensagen soll diese unbekannte Zarah lang sein wie eine Bohnenstange, schön wie die Garbo und so rothaarig wie der Teufel. Aber das Sensationelle soll angeblich nicht ihr Äußeres sein, sondern die Stimme, die bald als rau und ungehobelt, bald als seltsam fesselnd beschrieben wird. Einer, der sie im Theater von Örebro hörte, hatte den Eindruck von einer Köchin bei einem Schienenlegertrupp der Inlandsbahn, dem sie über Sümpfe hinweg zuruft, dass „das Schweinefleisch gebraten ist!“
Um als Augenzeuge mitzuerleben, wie ein neuer Star geboren wird und um sich mit dem allerersten Interview des erwähnten Stars brüsten zu können, hat Ihr Sonderberichterstatter die Rolf-Tournee hier in Gävle eingeholt. Was man im Voraus über Zarah Leander erfahren konnte, ist nicht sonderlich viel: Sie ist 1907 in Karlstad geboren und demnach nun in dem angenehmen Alter von 22 Jahren. Sie ist mit dem Schauspieler Nils Leander verheiratet, hat mit ihm zwei kleine Kinder. Am 27. Oktober dieses Jahres, also vor zwei Wochen, debütierte sie in Rolfs Revue, die gerade in Boras gastierte. Das ist im Großen und Ganzen alles. Der Rest Gerücht und Altweibergeschwätz.
Eine wunderbare Begegnung
Der freundliche Bühnenmeister hat gegen eine kleine Erkenntlichkeit ein Gespräch mit Frau Leander in ihrer Garderobe arrangiert, zwischen der vor kurzem beendeten , umjubelten Matinee-Vorstellung und der Repräsentation am Abend.
Für Tage teilt Frau Leander die Garderobe mit der englischen Spitzen- und Jazztänzerin Iris White, einer rundlichen Augenweide. Sie soll angeblich keinen Schritt außerhalb der Bühne tun könne, ohne dass Mama White wie ein Habicht über sie wacht. Die Engländerinnen trinken ihr ewiges Teegesöff in ihrem Winkel und stören uns nicht, weil sie von unserer Sprache so wenig verstehen.
In meinem Notizblock habe ich eine Unzahl Fragen, die ich gern beantwortet hätte. Aber vor Zarah Leanders Anblick verstummt man. Sie hat wirklich meine Größe und ist beinahe so breitschultrig wie Ihr Berichterstatter - aber was man unter dem Schminkumhang auf diesen Schultern undeutlich wahrnimmt, ist entschieden anmutig. . .Den Kopf würden Leute vom Fach „skulptural“ nennen, mit hohen Backenknochen und großer Fläche. Die Augenbrauen sind in kühnem Bogen nach heutigem Geschmack gemalt. Aber die Augen sind seltsam. Gleichzeitig glänzend und matt - wenn man nicht weniger als einen Meter vor ihr steht, könnte man glauben, Frau Leander blicke direkt durch einen hindurch, hinaus über Östersjön, ungefähr gegen Leningrad hin.
Wäre die Frage nicht peinlich, hätte ich mich darüber informiert, inwiefern Frau Leander Probleme mit ihrem Sehvermögen hat. Nun kann ich vermutlich nur anführen, dass sie sowohl kurzsichtig ist als auch ein klein wenig schielt. Und über dem Ganzen das Haar wie ein Waldbrand.
Burgunder!
--- Wie geht es Ihnen? frage ich. Denn irgendetwas muss doch gesagt werden.
--- Kann man etwas anderes als heiser werden bei der verdammt rauen Luft hier in der Stadt? Aber sonst ist alles wunderbar und ich fühle mich ausgezeichnet.
Ich glaube, ich schaue nur verblüfft, wenn Frau Leander den Mund öffnet. Man erwartet sich nicht die Stimme bei der Erscheinung. Was für eine Stimme erwartet man sich? Woher soll ich das wissen. . . Sie ist recht sanft, die Stimme, so dunkel sie auch ist. Sanft und wohlklingend. Ich bekomme zunächst einen Geschmacks- und Farbeindruck: Burgunder! Irgendwer sollte ein Lied für Zarah Leander schreiben, über „eine Stimme wie dunkelroter Burgunder“!
Wir setzen uns auf die erbärmlichen Holzstühle und Frau Leander, ans Reisen gewöhnt, schraubt die Kappe einer Thermosflasche mit brühheißem Kaffee ab, den sie in zwei Zahnputzgläsern der Marke Stomatol serviert. Sie entschuldigt sich für die hier mangelnde Bequemlichkeit und bietet einen ordentlichen Happen von einem Schinkenbrot an. Auf dem Schminktisch steht eine Fotografie, ein Amateurfoto, von einem großen dunkelhaarigen Mann und zwei kleinen verschwommenen Kindern. Vor dem Foto eine aufgeschlagene Wochenzeitschrift mit einem Kreuzworträtsel.
--- Erzählen Sie, Frau Leander, wie es kam, dass Sie zum Theater gingen?
--- Es ist ehrlich nichts Merkwürdiges, antwortet sie bescheiden. Seit ich ganz klein war, hatte ich eine brennende Lust für das Theater, eine Krankheit, an der wohl alle Backfische leiden. Aber mein Interesse war in gewisser Hinsicht gespalten. Manchmal wollte ich Tänzerin werden und manchmal Kapellmeister. Aber meine unglückselige Größe war ein Hindernis für mich.
--- Darf ich Sie fragen, ob Sie ungefähr 174 cm messen?
--- 173 cm in Strümpfen, genau gerechnet, das ist ziemlich groß für das Ballett und wenn man bedenkt, dass ich Füße im Verhältnis dazu habe!
Wir lachen viel über diese Äußerung gesunder Selbstironie und mein Partner setzt fort:
--- So kam der Theaterfimmel und erfasste mich wieder und ich fühlte mich dazu berufen, der Welt größte Tragödin zu werden. Ich bewarb mich an der Eleven-Schule des Dramatischen Theaters als Salome. Aber natürlich fiel ich bei der ersten Prüfung durch. Als ich mich dann kurz darauf mit Nils verheiratete, kam mit ihm der erste Schauspieler in die Familie. In der Zeit, während ich meine Kinder betreute, nahm ich die Gesangsübungen wieder auf, mit denen ich vor einigen Jahren in Riga begonnen hatte.
Und dann nahm alles seinen Lauf: Es glückte mir, vor Ernst Rolf ein Probesingen zu machen, und er war mutig und freundlich genug, mich debütieren zu lassen. Das ist meine ganze Geschichte.
Fridolf-Besuch
Im selben Augenblick klopft es an der Tür und der Favorit Fridolf Rhudin, auch er aus Värmland, tritt ein.
--- Sollst du nicht Mittagspause machen, kleine Zarah? fragt er.
--- Ich gebe ein Interview, wie du siehst, und habe aus dem Theater-Cafe Brötchen geholt. Wir essen vielleicht stattdessen am Abend?
Der gute Fridolf nickt und zieht sich diskret zurück.
--- Und nun ist der Weg zu Ruhm und Ehre abgesteckt? scherzen wir.
--- Wenn es doch so wäre, seufzt Frau Leander. Aber ich kann dem Herrn Redakteur verraten, dass der nächste Schritt in jedem Fall getan ist. Zu Neujahr gebe ich mein Debüt in Stockholm in Karl Ewerts Neujahrsrevue im Volkstheater. Der Vertrag ist so neu, dass die Tinte kaum getrocknet ist. Als wir vorige Woche das Gastspiel in Örebro hatten, vereinbarte ich ein Treffen mit Direktor Robert Ryberg und Sigurd Wallen für eine Probe, die befriedigend ausfiel.
--- Also werden Sie jetzt Primadonna in der Hauptstadt?!?
--- Nennen Sie mich nicht Primadonna, Herr Redakteur, denn das ist das Ärgste, das ich kenne! Ich werde völlig zum russischen roten Bolschewiken, wenn ich das Wort höre. Es ruft in mir immer das Bild einer Tante mittleren Alters wach mit Klimbim um den Hals und an den Armen! Es mag sein, dass ich als „Primadonna“ auf der Bühne stehe, aber wenn ich an den Abenden abtrete, bleibt keine Spur einer Primadonna in mir übrig. Da sehne ich mich nur noch nach Kohlrübenpüree und Schweinefleisch und einem bequemen Bett!
Aufdringlich!
Zarah Leander macht schon beim ersten Treffen einen überraschend gesetzten und sympathischen Eindruck. Ihr fehlt alle Geziertheit und Affektiertheit, auf die man so oft bei ihren erfahreneren Kollegen stößt. Sie beantwortet auch aufdringliche Fragen vertrauensvoll und mit Humor.
--- Welche Privatinteressen haben Sie?
--- Meine Kinderchen und meine Musik.
--- Lieben Sie Jazz?
--- Nein, hu! So schrecklich!
--- Gefällt Ihnen Ihr neuer Beruf?
--- Er macht mir Spaß! Ja, ich liebe meine Arbeit und ich liebe mein Publikum und ich bin so dankbar für alle Wärme.





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