Paul Seilers ZARAH LEANDER Archiv

roter Pfeil A R C H I V 1938 - 17

Bilder, Fotos, Zeitungsausschnitte etc. aus dem Jahre 1938




38b159
 
38b160
Übersetzung des obigen Artikels:
Die Leander erhält Opernangebot
Orpheus und Matthäuspassion Zarah Leanders neues Repertoire – stolze Entwicklungskurve
 
"Was mache ich heute Abend zwischen neun und elf?" Zarah Leander schaut zum Spaß gehorsam auf den UFA-Chef hier in Stockholm. Der Schauplatz ist der Opernkeller. Das Lunch sollte intim sein, also sind wir wenigstens zehn Personen bei Tisch. Die Antwort auf Zarah Leanders Frage gibt eine Blitzvision vom Leben einer gefeierten Filmprimadonna, die gerade in vollem Schwung arbeitet und repräsentiert. Die paar Tage, die sie wegen der Premiere von "Heimat" in Stockholm verbrachte, waren so genau eingeteilt, dass keine Zeit für irgendwelche persönlichen Programmwünsche übrig blieb. Den ganzen Tag Tees, Empfänge, Konferenzen, Lunche, Diners, Soupers, der Wechsel von Hüten, Kleidern, Pelzen – ja, welcher Nerzmantel hielte die ständig frische und elastische Heldin und deren melodramatische Eile auf die Dauer aus.
"Glaubt jetzt nur nicht, dass ich mich um all diesen Wirbel reiße oder dass ich zu meiner eigenen Premiere renne, um Blumen und Applaus zu erhalten. Keineswegs, aber es gehört innerhalb der großen ausländischen Filmgesellschaften zum guten Ton – bei meinem Engagement wird übrigens von mir verlangt nett und liebenswürdig zu sein, und ich füge mich und mache meine Arbeit. In diesem Fall war es höchst erfreulich hinzukommen, das gebe ich ohne Schmeichelei und Übertreibung zu: Das Premierenpublikum im Palladium war bezaubernd."
Die Leander hatte also mühelos diesen Premierenabend zwischen neun und elf geschafft und sich in Ruhe und Ungestörtheit über neue und vergangene Ereignisse unterhalten, die durch den gegenwärtigen Glanz eine ganz besondere Bedeutung erhielten. Die zweite Vorstellung hatte begonnen, und die Primadonna sollte sich erst wieder vor Ende des Films im Kino einfinden, dann direkt ins Royal fahren, um mit dem Filmdirektor von Schweden und den Nachbarländern mit Mama und dem Schwiegervater John Forsell zu soupieren. Sagte ich etwas von Ruhe und Ungestörtheit zwischen neun und elf? Nein, Einsamkeit ist eine unbekannte Kostbarkeit für eine Primadonna. Der Kinochef vom Schwedischen Film, Wilhelm Bryde, kam in Gesellschaft von Carl Opitz, dem Reklamechef der UFA. Es wurden belegte Brötchen und Champagner bestellt und so "entspannten" wir uns, schrieben Autogramme und fotografierten …
Ein Pferderennen vor dem Lauf kann nicht ruheloser wirken als eine Gruppe gehetzter Filmheldinnen. Jedoch - Zarah Leander ist eine kluge Frau, die einen kühlen Kopf bewahrt und außerdem genug Humor besitzt, um den ganzen Apparat nicht allzu ernst zu nehmen.
Hier steht also Zarah Leander im Luxusappartement des Grandhotels vor dem Spiegel, von Kopf bis Fuß in Nerz gehüllt, mit Federn auf dem Hut und einer Brillantspange zwischen den Orchideen am Abendkleid, und um sie herum läuft übereifrig eine höchsteigene Kammerzofe, die die Locken in Ordnung bringt und den letzten Hauch Puder auflegt. Der Fotograf blitzt …
"Erinnerst du dich", kommt es spontan, und wir brechen in schallendes Gelächter aus, dass die Nachtruhe im Grand zu stören droht. "Erinnerst du dich an das erste Mal, als wir in deiner Wohnung waren, ein Interview machen und fotografieren wollten …" Das war erst vor sieben, acht Jahren, aber der Unterschied ist gewaltig. In einer kleinen Zweizimmerwohnung am äußersten Kungsholmen empfing die neugebackene Primadonna damals. Möbel gab es so gut wie keine, also stellten wir die wenigen zu Gruppen zusammen, wodurch wir mehr interessante "Ecken" vortäuschten. Der Raum wurde so eng, dass der Fotograf gezwungen war, sich von draußen einen Überblick zu verschaffen.
Es ist auf jeden Fall interessant, manchmal prophezeien zu können, denn bereits zu Neujahr 1931 war in dieser Zeitung Folgendes über das erste Interview zu lesen: "Man ist bereit von Rekord zu sprechen, wenn man an Zarah Leander und ihre Karriere denkt. Man traut seinen Ohren nicht, wenn man hört, dass sich ihre gesamte Theaterlaufbahn auf eineinhalb Jahren beschränkt, in denen sie auf der Revuebühne stand – bei Rolf in der Provinz, bei Karl Gerhard im Folkantheater, bei Vorstellungen in Stockholm und jetzt im Vasatheater. Rekord, denn nun ist die aktuelle junge Schönheit als Operettenprimadonna und dramatische Tragödin bei dem im Werden begriffenen Gösta-Ekman-Theater engagiert … Ihre strahlende Kometenbahn ist klar vorgezeichnet."
Ja, es war eine Kometenbahn – aus eigener Kraft, eifrig und zielbewusst hat sich Zarah Leander durchgeschlagen und mit der Karriere ist es schnell gegangen. Aus der Zweizimmerwohnung wurde bald eine eleganten Wohnung am Karlaweg. Und doch passierte es anlässlich des nächsten Interviewbesuchs bei der berühmten "Lustigen Witwe", dass die Primadonna nicht genug noble Blumen daheim hatte. Kurz entschlossen machte der Interviewer kleine hübsche Gebilde aus Papier und steckte sie in den abgeblühten Kamelienbaum – das gab die volle Illusion von überreichlicher Blumenfülle.
Erinnerst du dich … ja, dann war da die Eheschließung und eine neue Wohnung über zwei Etagen unten am Norr Mäharstrand. Fast genau so vornehm wie bei Gösta Ekman in dem berühmten Haus in der Artilleriestraße.
Ein paar Jahre später – der Komet steigt am Firmament auf. Nun ist es Berlin und damit halb Europa, Erfolge des Stars in Venedig und New York.
Während das geschrieben wird ist Zarah Leander auf dem Weg nach Den Haag, um sich mit einem neuen Biografen zu besprechen und im Radio zu singen – für eine Gage, die auch für kontinentale Verhältnisse schwindelerregend sein soll.
"Ich habe sogar Opernangebote erhalten", sagt Zarah Leander, während sie eine letzte Korrektur an ihrer Schönheit vornimmt. Bei meinem Schwiegervater – nein, er lehnt Vetternwirtschaft ab. Aber nach diesem Film, in dem ich sowohl Glucks Orpheus als auch in Bachs Matthäuspassion singe, habe ich tatsächlich von deutschen Opernhäusern Angebote bekommen. Man hat mir vorgeschlagen in Carmen, Orpheus und die Amneris in der Aida zu singen. Mein Musiklehrer, Professor Hölger vom Konservatorium in Berlin, hat unermüdlich mit mir gearbeitet. Aber ich glaube, man sollte sich auf eine Sache konzentrieren und weder singen noch Theater spielen, wenn man eben für den Film geeignet ist. Übrigens bin ich nun bis 1940 an die UFA gebunden – um weiter zu denken, habe ich gerade jetzt nicht genug Zeit. Der feste Plan, in der Oper zu singen, ist für mich schwindelerregend. Als Orpheus im Film singe ich praktisch die Originaltenorpartie …"
Die neue Gesangsgattung ist wirklich eine nicht uninteressante Seite in diesem neuen Zarah-Film "Heimat". Aber vielleicht wird man vor allen von der Mutterliebe beeindruckt, die sich wie ein warmer Strom durch ihr Spiel zieht. Im Film schlagen Funken eines heiligen Feuers aus ihren Augen, wenn sie von ihrem Kind spricht. Man spürt, dass es echtes Reagieren ist, denn Zarah Leander hat wie eine Tigerin für ihre eigenen zwei Kinder gekämpft.
"Ich spinne mein Garn", sang sie während ihrer ersten finanziell bescheidenen Revuezeit, aber die Kollegen in den Kulissen flüsterten, sie müsste eigentlich "Ich haue ab zu meinen Kindern" singen.
Allein hat sie darum gekämpft, ihnen eine entsprechende Umgebung und Zukunft zu schaffen. Nicht verwunderlich, dass das Mädchen Boel, das ältere Kind, eine Amateurfotografie von den Kindern in Mamas Handtasche steckte, auf deren Rückseite sie geschrieben hatte: "Mama, denk dann an uns, wenn du auf dieses Foto schaust."
Bisher sind sie in eine schwedische Schule in Berlin gegangen, aber damit sie die Verbindung mit Schweden nicht verlieren, hat Zarah nun überlegt, sie in ihren neu erworbenen Besitz Samsvik bei Östersjön zu übersiedeln und sie in die Schule in Västernik zu schicken.
"Es wird für sie sehr nützlich sein, dort mit meiner Mutter zu wohnen, und ich kann gleich vorbeischauen, sobald ich frei habe. Dort will ich mich so richtig ausruhen und das flache Land genießen, wo sich die Füchse gute Nacht sagen. Nicht ein Stäubchen Puder soll auf meine Nase kommen, und meine Kleidung wird småländsich karg sein, das ist nach dem ganzen Großstadtstress nötig. Ich habe zwar ein Heim in einer schönen Villa in Dahlem, außerhalb Berlins, aber es ist so unpersönlich und nicht gerade ungestört. Wenn ich vierzehn Tage Zeit zur Erholung habe, will ich nicht aus dem Koffer zwischen fremden Möbeln leben wie in den Hotels rund um die Welt. Ich will spüren, dass ich ein eignes Heim habe - draußen, mitten in der Natur."
Es gibt interessante Diskussionen im Raum. Die Herren wissen schon eine Menge über Zarahs nächsten Film – den vor kurzem beendeten "Blaufuchs", der ganz einfach ein Tonfilm über dasselbe Thema wie Stillers altes Erotikon ist – und auch über die kommenden Filme: ein Maria-Stuart-Film nach letzten Forschungsergebnissen, basierend auf neu entdeckten Briefen und Zeitdokumentation, und der Film über Tschaikowskys Leben. Großartige und ausführlich gestaltete Projekte, alle beide. Manchmal fährt Frau Zander nach Paris, um ihre Filme in Französisch zu synchronisieren. Französisch spricht sie so gut wie Deutsch, und das heißt, ungefähr wie eine Einheimische. Aber die Zeit vergeht … Die Rosen duften. Sie wurden in solchen Mengen abgegeben, dass sie einerweise auf dem Fußboden stehen. Nun sind keine Blüten aus Papier im abgeblühten Kamelienbaum nötig …
Zeit für den Aufbruch, das Premierenpublikum im Palladium wartet auf seine Primadonna, und die Kammerzofe seufzt zum Schluss: "Was für einen Wirbel wird es hier geben, wenn wireine gute Kritik bekommen."                                                                                       Tigram
 
Texte zu den Bildern aus dem Vecko-Journal Schweden Nr. 42/1938: Die Leander erhält Opernangebot
Seite 1
rechts: Zarah Leander in ihrem kommenden neuen Film "Blaufuchs".
links unten: Eine "Ruhestunde" zwischen den Filmpremieren mit dem deutschen UFA-Reklamechef Carl Opitz und dem Kinochef des Schwedischen Films, Wilhelm Bryde.
Seite 2
links oben: Zarah Leanders Kinder, im Garten der Berliner Villa fotografiert; auf der Rückseite des Fotos steht: "Denk dann an uns, Mama, wenn du es anschaust!"
links unten: Zarah Leanders Mama und Schwiegervater John Forsell, beide gehen auf die Siebzig zu, treffen sich zum Souper im Royal.
rechts oben: Zarah Leander privat
 
38b165
 
38b164a
 
38b166
 
38b167
 
38b168

---------------------------------------------- ---------------------------------------------- ---------------------------------------------- ---------------------------------------------- ---------------------------------------------- ---------------------------------------------- ---------------------------------------------- ----------------------------------------------


TOPgoldener Pfeil - Top