Paul Seilers ZARAH LEANDER Archiv

roter Pfeil F A N S - T R A V E S T I E

Verehrerinnen und Verehrer sagte man früher. Heute heißen sie schlicht:


roter Pfeil Fans


zarah widmung

Fans, dieses Wort mochte ich nie. Klingt es doch leicht hysterisch. Trotzdem deckte es sich manchmal besser mit den Erfahrungen, die ich in den vergangenen 20 Jahren mit Menschen machte, die Zarah verehren und aus diesem Grund Kontakt mit mir aufnahmen.

Empfangen habe ich sie alle, ein Anruf, ein Brief genügte, und das Archiv durfte bewundert werden. Nie wusste ich, wer vor der Wohnungstür stand, wenn es klingelte. Viele interessante Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten habe ich dadurch kennengelernt. Erzählungen wurden ausgebreitet, die mich oft tief bewegten: Der erste Kinobesuch, der nur unter Umgehung der Altersangabe stattfinden konnte; mit dem letzten Taschengeld wurden Eintrittskarten gekauft, trotzdem der selbe Film mehrmals angesehen; stundenlang in der Kälte gewartet, um eventuell einen Blick auf den Star werfen zu können.

Gesammelt wurde auch damals schon, die Filmpostkarten, die Zeitschriften, die Programme und Eintrittskarten usw. - und wie schmerzhaft war es, wenn so eine Sammlung auf der Flucht zurückgelassen werden musste. Denn diese älteren Herrschaften haben ihre Jugendzeit in den 30er und 40er Jahren verlebt, und da war Krieg. "Wie schön", sagten alle, "dass es damals diese Filme, diese Melodien, diese Stimme gab". Gerade der Leander sei es gelungen, etwas Abwechslung in den streng reglementierten Alltag zu bringen.

Empfunden haben dies auch jene, die von den Nazis verfolgt wurden. Mehrmals haben mich Menschen aufgesucht, die Deutschland verlassen mussten oder wie der Jude Gary Phillip aus den USA, der den Krieg in einem KZ überlebte. Von diesen Besuchern habe ich immer große Dankbarkeit und Respekt für meine Arbeit erfahren.

Ganz andere Erfahrungen machte ich dagegen mit den Nachgeborenen und heute sammelnden Hausfrauen. Wurden diese doch oft von ihren Ehemännern ihrer Zarah-Passion wegen misstrauisch beäugt oder brachten gar ihre nervenden Kinder mit ins Archiv. Alle hatten sie die Leander nie live erlebt, und so sammelten sie nun mit einer Leidenschaft, die keine Leidenschaft ist: Jedes Bild, jede Schellackplatte, jede CD, jedes Programmheft, kurz alles, was mit der Leander zu tun hat, gleich doppelt und dreifach - als wäre es dadurch möglich, den Star im nachhinein ganz für sich zu besitzen.

Über meine Begegnungen mit der Leander - immerhin bin ich der Künstlerin zwischen 1955 und 1965 ca. 50 Mal begegnet, bei der Aufnahme des Liedes Einsamkeit durfte ich sogar neben ihr stehen - wurde ich nie befragt.

Auch die vielen Zeitzeugen, die ich kannte und die für die Leander-Karriere so wichtig waren, wie etwa die Regisseure Douglas Sirck oder Rolf Hansen - immerhin führten sie bei fünf Filmen Regie - waren nicht von Interesse. Nie wurde über Filminhalte, Liedertexte oder die Musicals gesprochen, immer ging es nur darum, noch mehr Material anzuhäufen.

Meine Bücher hatten sie alle, aber zu deren wunderbaren Texten, die ja meistens nicht aus meiner Feder stammten, wurden keine Fragen gestellt.

 


Zarah Leander für, und vor ihrem Publikum.

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Die Phantasie fehlte wohl, sich die Glanzzeit der Leander und das politische Umfeld vorzustellen: Diese Besucher/innen empfand ich mehr als anstrengend, beinahe undankbar und ohne Respekt für mein Leander-Engagement, vielmehr standen Neid und Eifersucht Pate. Trotzdem - auch diese Fans lieben Zarah, und ich mußte mich ihnen stellen, obwohl ich mich manchmal fragte, warum sie nach der Lektüre meiner Bücher nicht soviel Infos im Kopf haben, um ihre eigenen Schlüsse daraus zu ziehen (da hilft anscheinend auch kein Abitur). Deshalb tröste ich mich mit dem leicht abgewandelten Spruch von Brecht: Die Buchdeckel zu und alle Fragen offen.

Getröstet haben mich darüber hinaus auch immer wieder die vielen jungen Männer, die gerade heute, aber auch schon während der gesamten Leander-Karriere einen wichtigen Bestandteil ihres Publikums ausmachten: Die Homosexuellen. "Meine Pagen", höre ich die Leander dazu sagen, das treueste Publikum, das ein Künstler haben kann!

 

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Die Leander, "...die neben dem bürgerlichen Erinnerungspublikum aller Stände in schier kaum glaublichen Scharen junge Männer anlockt, entspricht wie einer geheimen Übereinkunft dem bizarren Kontra-Alt dieser Stimme...", stellte die Kritikerin Karena Niehoff 1973 nach einem Konzertbesuch fest und ihre Wiener Kollegin Hilde Spiel bemerkte dazu 1964 nach der Premiere von Lady aus Paris:

"...feinsinnige junge Herren in den Logen, hingerissen von dieser statuesken Erscheinung, dieser mütterlichen Vaterfigur, spendeten Beifall...". 60b262

 

Zarah Leander und ihr Berliner Club 1959:

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rechts neben Zarah Leander Paul Seiler, 
links (sitzend) Brigitte Pettersson,
die spätere Sekretärin und Reisebegleiterin.

In den Liedern der Leander, vorgetragen voller Sehnsucht und mit Leidenschaft, manchmal auch mit Resignation, geht es halt immer um Männer, um den Geliebten: Schlafe, mein Geliebter, Heut´ Abend lad´ ich mir die Liebe ein, Jede Nacht ein neues Glück, Einen wie Dich könnt ich lieben, Mein Leben für die Liebe, Er heißt Waldemar, Kann denn Liebe Sünde sein?" usw. usw.

"...Stimme zwischen Mann und Frau, die einen hinreißt an die Abgründe der eigenen Doppelheit, in jedem Mann ein Stück Frau, in jeder Frau ein Stück Mann...",

stellte die Regisseurin Helma Sanders-Brahms 1981 fest.

Von Zarahs treuestem Publikum wurde ich verwöhnt, geliebt und manchmal wußte ich nicht wohin mit den vielen Blumen, die ich in Gedanken aber immer stellvertretend für Zarah Leander entgegennahm.

 

Der jüngste Leander-Verehrer, der mich aufsuchte, war 1988 15 Jahre alt: Tim Fischer. Heute will er sicher nicht mehr gerne an diese Zeit erinnert werden, in der er Curt Delander, den Leander-Darsteller aus Bonn, und mich mit Zarah-süchtigen Briefen überhäufte und sich bei uns mit rührenden, kindlichen Zeilen für jedes Foto von der Leander und für jede Info herzlichst bedankte. Die Leander war seine Göttin, seine Lehrmeisterin, ihren Stil hat er sich zu eigen gemacht. Dadurch gelang es ihm, ohne Ausbildung direkt von der Schulbank eine Karriere zu starten: Zarah ohne Kleid. Bei seinem ersten Besuch in meinem Archiv bat er darum, in ein Tourneekleid der Leander zu schlüpfen und tanzte damit durch die Wohnung. Der Wind hat mir ein Lied erzählt, dröhnte seine tiefe Knabenstimme. Aber er spürte, dass ich seiner Imitationskunst recht distanziert gegenüber stand, der Kontakt brach ab. "Kluge Köpfe" rieten ihm nach seinen Anfangserfolgen, sich von der Leander zu distanzieren, seine Karriere sollte ohne "braune Flecken" stattfinden. Er beugte sich dem allgemeinen Mainstream. Jetzt blickt er leider ohne Dankbarkeit auf seine Anfänge zurück, die, ohne dass er den exaltierten Stil der späten Zarah zu seinem machte, nie möglich gewesen wären. Er hat den großen Namen der Leander für seine Zwecke benutzt, wie es so viele andere auch tun. Jetzt ist er "klug und weise" und hat von "Zarahs Schmachtfetzen die Schnautze voll!" und es ist ihm ein Anliegen, auch das verführte Zarah-Publikum restlos an sich zu binden. Aber es gelang und gelingt ihm nicht.

Millionen haben auch 2001 Leander-Filme via Fernsehen konsumiert (die jetzt sogar auf DVD heraus kommen). Leander-CDs werden weiterhin sehr gut verkauft. Und das ist gut so!


roter Pfeil Travestie und Parodie


Schon in ihrem zweiten Film Falska Millionären (Der falsche Millionär) von 1931 gibt es eine Szene, in der Hotelpagen den einprägsamen Gesangsstil der Leander imitieren. Nicht erst heute, vielmehr während ihrer ganzen Karriere, forderte die Leander durch ihre eigenwillige Vortragsweise voller Leidenschaft und Pathos, mit der sie ihre Chansons in Szene setzte, ihre Mitmenschen geradezu heraus, sie zu kopieren, bis sie schließlich endgültig in der Travestieszene landete, wo sie längstens einen festen Platz eingenommen hat.

  aktuell3Aber ihr Liedgut wurde und wird auch von Künstlern, die mit dieser Szene nichts am Hut haben und ihr dadurch eine besondere Reverenz erweisen, vorgetragen. Mein Dank an Nina Hagen, Milva, Romy Haag, Mireille Matthieu, Udo Lindenberg, Angelika82b170b Milster, Greta Keller, Erika Pluhar, Georg Danzer, André Heller, Karin Pagmar und Georgette Dee, um nur einige zu nennen.

Selber stehe ich der Travestieszene etwas ratlos gegenüber: Einerseits fasziniert die Anstrengung, die es die Travestiekünstler kostet, die Leander zu kopieren - und es gelingt meistens auch, eine Aura der Faszination herzustellen,

"... weil Tunten irgendwie die besseren Frauen sind, die glamouröseren jedenfalls..." (Helma Sanders-Brahms).

     Man denke dabei nur mal an Mary! Auch von Christina aus Amsterdam geht eine ungeheure Ausstrahlung aus, ihre Bühnenpräsenz ist enorm, und  hier wird sie mit der Leander identisch.

Armand, der Zarah-Darsteller aus Wien, kopiert Zarah sehr geschickt, wir standen ja schon mehrmals zusammen vor Film- und Fernsehkameras. Allerdings hat sich ihm der Mensch Zarah Leander nie erschlossen, was für mich unverständlich ist. Gerade die Seele, das Herz im Chanson und Spiel, läßt doch auch immer einen Blick auf den Menschen im Künstler sichtbar werden. Jedenfalls so habe ich mir mein Bild von dem Menschen Leander erstellt.

  Zu Curt Delander erlaube ich mir den Geburtstagsgruß zu zitieren, den ich ihm zum 25. Januar 2002 zukommen ließ: Dem lieben Curt Delander, der mit seiner vorzüglichen Darstellungskunst so bewundernswert an die späten Karrierejahre erinnern kann. Mein Dank für sein Engagement und seine Treue wiegt doppelt, bevorzuge ich doch mehr die UFA-Göttin! Aber Liebe bleibt Liebe und Treue bleibt Treue, dies verbindet uns wieder.

Bild oben links: Paul Seiler mit  Curt Delander.   Bild oben rechts: Curt Delander aus Bonn, Armand aus Wien und Christina aus Hamburg bei einem gemeinsamen Zarah-Auftritt in Berlin im Dezember 2000.  

82b135d     Am 15. März 1993 zusammen in der Carmen-Nebel-Fernsehshow "DIVA  - Zarah Leander": Armand, Paul Seiler und Romy Haag

 

Am 15. März 1993 zusammen in der Carmen-Nebel-Fernsehshow "DIVA  - Zarah Leander":

Armand, Paul Seiler und Romy Haag


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