P O L I T I K - L Ü G E N
Politik
War Zarah Leander eine Nazi?
Ihr Verbrechen: Sie war deutschfreundlich eingestellt, bzw. sie liebte Deutschland, ihr deutsches Publikum.
Zarah Leander bei Bundeskanzler Willy Brandt nach einem Konzertauftritt in Bonn 1970
Zarah Leander war so sehr Nazi bzw. Nicht-Nazi wie der Durchschnitt der Bevölkerung Schwedens in der damaligen Zeit.
Als Zarah Leander Ende 1936 ihren UFA-Vertrag unterschrieb, war die Situation in Europa folgende:
1. Kein Staat der Welt hatte die diplomatischen Beziehungen mit Deutschland abgebrochen, auch Schweden nicht.
2. Zwei Monate zuvor endeten die Olympischen Spiele von Berlin. Keine Nation hatte diese boykottiert, auch Schweden nicht (wie z.B. die Spiele von Moskau 1980).
3. Zarah Leander hatte einen Vertrag mit der UFA, nicht mit der NSDAP.
Eine geläufige Formulierung lautet aber oft: "Sie wurde von den Nazis aufgebaut." Dieser pauschalen Feststellung steht gegenüber, dass sie schon ein Star war, bevor ihre deutschsprachige Karriere 1936 in Wien begann. Filme und Schallplatten aus Schweden belegen dies. Außerdem haben nicht Nazis sie nach Wien geholt bzw. ihre deutschsprachige Karriere eingeleitet, sondern der aus Berlin verjagte Max Hansen schlug sie für das Bühnenstück 'Axel an der Himmelstür' vor. Die Liedertexte stammen von dem Juden Hans Weigel, die Musik von Ralph Benatzky, der mit einer Jüdin verheiratet war. Auf Zarahs ausdrücklichen Wunsch schrieb und komponierte er auch die Musik und die Lieder zu ihrem ersten UFA-Film 'Zu neuen Ufern'. Auch der Regisseur ihrer ersten Filme im Reich war mit einer Jüdin verheiratet: Detlef Sirck, der später in die USA emigrierte und dort Karriere machte. Es gab nichts aufzubauen und zu verändern, einzig die Liebe des Publikums hat diese Karriere begünstigt bzw. ermöglicht.
4. Auch die weltberühmte, schwedische Filmschauspielerin Ingrid Bergman übernahm 1938 eine Hauptrolle in dem UFA-Film 'Die vier Gesellen'.
5. Amerikanische Filmschauspieler, deren Filme bis 1940 auch im Reich zu sehen waren, kamen öfter nach Berlin. Gary Cooper, Marlene Dietrichs Filmpartner, traf sich bei dieser Gelegenheit auch mit der Leander. Die Bilder von diesem Zusammentreffen gingen 1938 um die halbe Welt.
6. Die Leander war ab 1938 auch in Frankreich sehr populär. Französische Künstler trafen sich mit ihr, wenn sie in Paris weilte, um ihre Filme zu synchronisieren. Dazu gehörten u. a. der Dichter Jean Cocteau, der Ballettmeister Serge Lifar sowie die Schauspielerin Cecile Sorel, wie französische Wochenschauaufnahmen belegen.
7. Im Februar 1939 hielt sich König Gustav V., der König der Schweden, in Berlin auf, um den höchsten schwedischen Militärorden, das Großkreuz des Schwertordens mit Kette, Hermann Göring zu verleihen. Dieses Ereignis hat die Leander sicher durch die Presse während den Dreharbeiten zu dem Film 'Es war eine rauschende Ballnacht' wahrgenommen.
Verhalten der Schweden gegenüber Zarah Leander bis Ende 1942:
1. Als die Filme 'Premiere' und 'Zu neuen Ufern' bei den Filmfestspielen von Venedig im August 1937 liefen, meldeten die schwedischen Zeitungen voller Stolz: "Zarah Leander repräsentiert Schweden in Venedig mit einem österreichischen und einem deutschen Film" (Filmjournalen Nr. 38/1937). Auch Marlene Dietrich war bei diesen Filmfestspielen präsent.
2. Der schwedische Botschafter war bei Filmpremieren in Berlin anwesend, die Leander auch Gast in der Botschaft.
3. Alle Filme Zarah Leanders liefen auch in Schweden (bzw. in fast ganz Europa) mit großem Erfolg. In Stockholm wurde 'Es war eine rauschende Ballnacht' lange nach Kriegsausbruch vier Monate lang gezeigt, ohne dass es Proteste gab.
Verhalten der Schweden während des Krieges:
1. Nach Beginn des Krieges mit der Sowjetunion im Juni 1941 telegrafierte König Gustav V. an Hitler und wünschte: " ... großen Erfolg im Niederschlagen des Bolschewismus."
2. Nach Kriegsausbruch verdoppelte Schweden seinen Holzexport nach Deutschland und verfünffachte seinen Zelluloseexport. Die deutschen Waffen wurden zu 40% aus importiertem schwedischen Erz hergestellt. Dafür erhielt Schweden Kohle und Koks aus Deutschland.
Resümmee:
Als Zarah Leander nach Deutschland ging, um dort als Künstlerin zu arbeiten, herrschte in Schweden ein deutschfreundliches Klima. Dieses änderte sich auch nicht mit Beginn des Krieges. Erst im Laufe des Jahres 1943, als eine deutsche Kriegsniederlage immer wahrscheinlicher wurde, wandelte sich die öffentliche Meinung zu ungunsten Deutschlands.
Zarah Leander, die schon Ende 1942 nach Schweden zurückgekehrt war, da sie nicht die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen wollte, was Goebbels von ihr im Sommer 1942 ultimativ gefordert hatte, übernahm zu diesem Zeitpunkt die Rolle des schlechten Gewissens der Schweden. Sie erinnerte mit ihrer Person ständig an das freundschaftliche Verhältnis zwischen Deutschen und Schweden in den 30er und frühen 40er Jahren, von dem man im Nachkriegsschweden nicht mehr viel wissen wollte.
So projizierte sich am Ende das verdrängte Wissen bzw. die verdrängte Mitschuld auf fast eine einzige Person in Schweden, auf Zarah Leander. Ein Sündenbock läßt die Anderen eben immer umso sauberer erscheinen.
Diese Sündenbockfunktion scheint die Leander heute für die Generation der Nachgeborenen, die ihr selbstgerechtes Wissen wie eine Flagge vor sich her tragen, wieder zu erfüllen.
Der schwedische Geheimdienst bzw. die schwedische Staatspolizei hat die Leander allerdings, angeregt durch anonyme Briefe, von 1939 bis 1954 überwacht. Telephongespräche wurden abgehört, das Hauspersonal und Nachbarn befragt, die Küste von Lönö, dem Wohnsitz der Leander, kontrolliert, ob eventuell U-Boote anlegen könnten (deutsche oder sowjetische) usw. Diese jahrelangen Nachforschungen haben in einem Abschlußbericht, der im Jahre 2001 erstmalig eingesehen werden konnte, ergeben, dass sie deutschfreundlich eingestellt ist. Ihr Verbrechen war: Sie liebte Deutschland und zwar schon vor 1933 sowie auch nach 1945 bis zu ihrem Tode. In Interviews hat sie auf ihre Liebe, gerade zu Berlin, immer wieder hingewiesen. Hier wurde sie geliebt wie kaum anderswo. Hier begann 1937 ihre UFA-Filmkarriere. Hierher zog es sie ihr ganzes Leben lang immer wieder zurück. Das erste Mal besuchte sie als junge Frau 1926 Berlin. Ihrem Vater mußte sie das Reisegeld abschmeicheln, denn sie wollte unbedingt Fritzi Massary, die große Berliner Operettenkönigin, ihr großes Vorbild, sehen und natürlich hören. Auch ihre Hochzeitsreise führte sie 1932 nach Berlin. Ihren letzten Auftritt hatte sie hier am 6. und 7. Februar 1978 mit zwei Liederabenden im 'Theater des Westens'. Anläßlich zweier Interviews in den Jahren 1975 und 1965 sagte sie über Berlin und die Berliner folgendes:
"Wie sie wissen, zieht es den Täter immer an den Tatort zurück und das ist bei mir in puncto Berlin so. Wenn ich jetzt sage, dass ich Berlin liebe, dann brauche ich wohl nichts mehr zu sagen. Die Berliner wissen es ja."
"Alles was mit Berlin zusammenhängt, das ist mein Leben. Berlin ist für mich ein Zuhause. Meine Heimat Schweden ist natürlich das erste, aber dann kommt Berlin. Und wenn ich in Berlin bin, habe ich das Gefühl, ich bin zu Hause. Die Art zu denken, die Art zu leben, die Art schroff zu sein - ich meine die Berliner Art, so absolut ehrlich und korrekt zu sein, die gefällt mir so enorm. Man hat mich auch gefragt, was der Unterschied zwischen Wien und Berlin wäre. Die Wiener sind sehr weich, sehr liebenswürdig, die Berliner sind nicht weich, nicht liebenswürdig. Ich sage jetzt den Berlinern ein Kompliment: Bei den Berlinern gibt es schwarz oder weiß, aber dazwischen gibt es gar nichts. Die Berliner hassen oder lieben, und wenn die lieben, die Berliner, dann lieben sie fürs ganze Leben, und ich gehöre zu der Gruppe, toi, toi, toi, die die Gnade haben darf, von den Berlinern geliebt zu werden und es beruht auf Gegenseitigkeit."
Es tauchen aber auch immer wieder Meldungen auf, sie habe während oder nach dem Krieg sogar auch für die Sowjetunion gearbeitet, Stalin habe sie verehrt und ihr einen Zobel geschenkt. Dazu folgendes:
Nach amerikanischen Geheimdienstdokumenten soll sie während des Dritten Reiches Agentin des sowjetischen Geheimdienstes KGB gewesen sein und zu einem Spionagering der Russen, der Dossiers über bekannte hohe Nazi-Politiker lieferte, gehört haben. Ein bisher geheimer Bericht der amerikanischen Spionageabwehr vom 25. Juni 1951, adressiert an die amerikanische Bundespolizei FBI, zitiert einen ziemlich zuverlässigen Informanten. Er hatte in Triest zu Protokoll gegeben: "Zarah Leander war während des Zweiten Weltkriegs eine russische Agentin". Dieses Dossier scheint im Zusammenhang mit einem Auftrittsverbot für die USA 1951 zu stehen. Damals sammelte ein Komitee unter FBI-Chef Hoover Material gegen Künstler mit kommunistischen Kontakten. Die Leander durfte 1951 nicht in die USA einreisen und mußte sich mit einer Tournee durch Südamerika begnügen.
Gerüchte, sie habe für oder gegen die Nazis spioniert, sind nicht erst nach dem Krieg aufgetaucht. Im März 1940 meldeten englische Blätter, sie sei von den Nazis in ein KZ gesteckt oder gar erschossen worden. Kurz danach kehrte sie von einem Aufenthalt in ihrer Heimat, dem neutralen Schweden, zu Filmarbeit nach Berlin zurück. Noch auf dem Flughafen wurde sie für die Wochenschau gefilmt sowie für Zeitungen interviewt und hat die "englischen Greuelmärchen" dementiert. Für die Nazis war sie immer ein Sicherheitsrisiko. Jederzeit durfte sie ja nach Drehschluß ins neutrale Schweden ausreisen, wo sie allerdings vom deutschen Geheimdienst überwacht wurde, der alles nach Berlin meldete. Sie traf sich mit Künstlern aus ihren Anfängen wie z.B. Karl Gerhardt, der ein erklärter Gegner von Hitler war, oder mit Juden wie Jules Bernais. In einem Interview für eine schwedische Zeitung antwortete sie einmal auf die Frage, ob es nicht unangenehm sei, in Berlin mit Nazi-Kollegen zu filmen "Beim Film gibt es keine Nazis". Goebbels tobte und stellte sie deswegen zur Rede. In ihren Memoiren reduzierte sie diesen Vorfall auf den Umgang mit Homosexuellen, der ihr vorgehalten wurde. Ihre Antwort ist ja hinreichend bekannt:
"In meiner Freizeit suche ich mir meine Freunde selber aus...". Im Nachhinein war es ihr vielleicht peinlich, auch auf ihr Zusammentreffen mit Juden und Antinazisten hinzuweisen.
In einer schwedischen Fernsehdokumentation vom Dezember 1988 wurde auch darauf hingewiesen, dass sie in Berlin mit Erik S. Eriksson bekannt war, dem berühmten Spion, der für die Alliierten arbeitete und seine Recherchen an die amerikanische Delegation weitergab. Sein Leben wurde später mit William Holden verfilmt, das Buch über ihn heißt 'Maskierter Agent.' Auf Zarahs Rolle während der Nazi-Zeit angesprochen, antwortete er 1945: "Zarah ist in Ordnung." Auf diese Aussage hat sich Zarah in ihrem schwedischen Freundeskreis nach dem Krieg berufen, als es darum ging, sie zu lancieren und ihre Rückkehr in Schweden vorzubereiten. Schon am 19. Dezember 1942 meldete Erik S. Eriksson aus Berlin u.a. an Walter Surrey und die amerikanische Delegation nach Stockholm:
"Miss Zarah (Leander) ist vom Sicherheitsdienst verdächtigt worden. Baron von Lööwe, der persönliche Sekretär von Himmler, hat sie aufgefordert, das Land zu verlassen, da sie nicht wüßten, auf welcher Seite sie steht."
Leider gibt es keine ernstzunehmenden Aussagen von ihr, wie sie die damalige Zeit wahrgenommen hat und ob es ihr überhaupt bewußt wurde, welche Funktion die Filmkultur im Dritten Reich durch Goebbels zugewiesen bekam.
"Ich habe immer nur Liebesfilme gemacht", antwortete sie einmal auf eine entsprechende Frage. Ihre Filme brachten zudem einen Hauch der großen Welt in den miefigen Alltag der Nazis. Vom Rollentyp schritt sie immer stolz erhobenen Hauptes durch die ihr vom Drehbuch verordneten Schicksale, ohne sich von den Widrigkeiten des Alltags unterkriegen zu lassen. Dies mag eine Botschaft gewesen sein, die gerade in der damaligen Zeit sehr gebraucht und sicher auch missbraucht wurde. Opferbereitschaft und Verzicht waren ohne Zarahs Zutun Tugenden, die von den Nazis hochstilisiert wurden. Da mag es zu einer gewissen Übereinstimmung im verordneten Lebensgefühl gekommen sein. Andererseits war sie ihrem Rollenfach auch nach 1945 treu geblieben, da sie niemals in der Lage war, etwas anderes zu verkörpern als die Leander ("Ich bin die Leander, das muss reichen."). Sie war anhand ihrer Persönlichkeitsstruktur ähnlich wie Grethe Weiser oder Hans Moser immer eine fest umrissene Figur, um die herum das Spiel zu laufen hatte.
"Die Leander hat nie verschiedene Rollen gespielt, sondern nur die Toiletten gewechselt."
Diese Feststellung, zu ihrem 50. Geburtstag erschienen, akzeptierte sie bedingungslos und meinte:
"Die Rollen, die ich gespielt habe, wurden meiner Art zu sein angepasst. Ich brauchte mich nie in die Seele einer anderen Frau hineinzuversetzen, ich spielte immer so, wie ich empfand. Vielleicht ist es deshalb manchmal auch gut geworden."
Sie war zweifelsohne die große Trostspenderin in einer Zeit, da es viel zu trösten gab. Die Menschen in Deutschland haben es ihr bis zu ihrem Ende nie vergessen. Nach dem Krieg musste sie allerdings dafür teuer bezahlen. So wie Marlene Dietrich damit rechnen konnte, dass ihre Leistung von vielen Kritikern mit einem Sympathiebonus für ihre lautere demokratische Gesinnung gegenüber dem Hitlerstaat honoriert wurde, musste Zarah Leander in Kauf nehmen, mit ihrer Darbietung zuerst die Vorurteile abzubauen, die ihr viele Kritiker ihr ihrer "braunen Jahre" wegen entgegenbrachten. Auch wird ihre Karriere fälschlicherweise von manchem auf Nazi-Deutschland reduziert. Und schon ganz töricht wäre es, sie mit den Untaten des Dritten Reiches in Verbindung zu bringen. Dank ihres Ehrgeizes und der Liebe, die ihr ihr Publikum entgegenbrachte, schaffte sie es aber schließlich doch, auch in der Nachkriegszeit wieder vorhanden zu sein.
Aber es gibt eben leider auch die Arroganz der Nachgeborenen. Nur ein Beispiel: In einem Programmheft zu dem Peter-Lund-Stück Zarah 47 bezeichnet man sie als berechnend und selbstverliebt und folgert:
"Ihre Rechtfertigung, sich aus allem herausgehalten zu haben, immer unpolitisch gewesen zu sein, entpuppt sich als eigentliche Anklage: gerade Schweigen ist das Verwerfliche."
Deshalb empfehle ich allen, die sich aus neutralerer Sicht über die damaligen Zeitumstände informieren möchten, das Taschenbuch des Literaturwissenschaftlers Hans-Dieter Schäfer 'Das gespaltene Bewußtsein', Ullstein Sachbuch.
Wie sah Deutschland aus, als Zarahs Karriere hier begann? Hatten nicht sämtliche Länder von der Schweiz bis zur Sowjetunion gute Beziehungen zum Dritten Reich? Auch kulturell war Deutschland damals nicht so isoliert, wie es später manchmal dargestellt wurde. Vielmehr war die ganze Welt zu Gast. Im Spiegel Nr. 48, 1981, war folgendes zu lesen:
"...Am 27. September 1937 fuhren Deutschlands Führer Hitler und Italiens Duce Mussolini durch ein vom Reichsbühnenbildner Benno von Arent theatralisch dekoriertes Berlin. Am selben Abend aber auch lief in der Kurbel am Kurfürstendamm der Hollywoodfilm 'Shanghai-Express' mit Marlene Dietrich, Teil einer ganzen Marlene-Dietrich-Woche. Am selben Abend zeigte das Marmorhaus wie schon wochenlang mit großem Erfolg das amerikanische Filmmusical 'Gehen wir bummeln', in der Femina-Bar spielte die Band des Schweizers Teddy Stauffer 'Swinging for the King', und an der Kasse der Staatsoper bildeten sich Schlangen für die Premiere des Balletts 'Der Kuß der Fee' von Igor Strawinsky.
Diese Momentaufnahme einer verblüffenden historischen Gleichzeitigkeit hat der Literaturwissenschaftler Hans-Dieter Schäfer fixiert - als besonders anschaulichen Beleg unter vielen für seine These, das Dritte Reich sei von einem tiefen Gegensatz zwischen nationalsozialistischer Ideologie und Praxis gekennzeichnet, die deutsche Kultur und Lebenswirklichkeit unter Hitler keineswegs so totalitär, uniform gewesen, wie es ein von mancher Nachkriegsforschung und Publizistik verfestigtes Stereotyp wahrhaben wollte..."
"...Robert Taylor in Berlin..." meldete z.B. die Filmwelt Nr. 50, Jahrgang 1937, und
"Was Metro-Goldwyn-Meyer bringt: Filme der Spielzeit 1937/38. Nun hat auch die M-G-M bekanntgegeben, welche Filme sie im deutschen Spielplan 1937/38 bringen wird. Es sind 15 Filme mit weltbekannten Darstellern."
Es folgt eine Liste mit Filmen von Greta Garbo über Marlene Dietrich bis zur 'Broadway-Melodie'.
Diese Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen. 1938 besuchte Gary Cooper Zarah Leander in Berlin, fliegt von da weiter nach Paris, wo sich Marlene Dietrich gerade aufhält. Mußte der "politischen Idiotin" nicht vorgekommen sein, die Welt sei in Ordnung? Ihre Filme liefen ja vorerst auch in vielen europäischen Ländern, so war sie z.B. in Frankreich 1938 lange vor der deutschen Besetzung sehr populär. Ihre großen Schallplattenerfolge hat sie auch in französischer Sprache aufgenommen.
Auch viele europäische Politiker sahen noch 1936 recht optimistisch in die Zukunft. In seiner Fernsehdokumentation zum 50. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs formulierte es der frühere amerikanische Außenminister Henry Kissinger so: "Als Hitler an die Macht kam, konnte man noch nicht wissen, ob er auch meinte, was er sagte. Noch 1936 vertraten führende britische Politiker die Ansicht, dass Hitler nur der Unzufriedenheit des deutschen Volkes Ausdruck gebe und dass er, wenn seine Forderungen erst einmal erfüllt seien, ein berechenbares Mitglied der Völkergemeinschaft werden würde."
Können wir also von einem Künstler erwarten, dass er die politischen Verhältnisse anders einschätzt, zumal er ja noch nie in Deutschland gelebt hat? Von einem Künstler der leichten Muse, und dazu gehörte ja die Leander, ist nicht unbedingt anzunehmen, dass er sich seinen Kopf allzusehr über die politischen Verhältnisse zerbricht und zu anderen Einschätzungen kommt als die damals führenden politischen Köpfe in Europa, die dies ja hauptberuflich taten.
War Gary Cooper 1938 wirklich in Babelsberg?
Ein Vortrag, den Paul Seiler anläßlich der Übergabefeier seines Archivs an das Filmmuseum Potsdam am 18. März 1998 hielt.
Was sich wie eine Quizfrage anhört, ist keine. Vielmehr versuche ich anhand einer Episode, die jetzt über 60 Jahre zurückliegt, meine Arbeit vorzustellen. Vier Bücher habe ich im Laufe der Jahre über Zarah Leander veröffentlicht, und was normalerweise einem Sakrileg gleich käme, habe ich bewußt gemacht.
Der Anlaß: Gary Cooper besuchte 1938 Berlin, kam auch nach Babelsberg und ließ sich die berühmte Filmstadt zeigen.
Danach hat er bei einer Tasse Kaffee oder auch noch einem Whisky im UFA-Casino mit Zarah Leander zusammengesessen. Gary Cooper, der Weltstar und Partner von Marlene Dietrich in deren Hollywood-Filmen, nun neben dem UFA-Star Nr. 1 in Babelsberg. Von diesem Zusammentreffen gibt es nach meinen Recherchen leider nur ein Foto, und eben dieses eine Foto habe ich in drei meiner vier Bücher immer wieder veröffentlicht. Warum nur? Weil es in den vielen Publikationen und Büchern, die über den deutschen Film zwischen 1933 und 1945 berichten, nie erschienen ist, obwohl dieser Schnappschuß leicht zugänglich in vielen Bildstellen zu bekommen ist, in Berlin z.B. beim Ullstein-Bilderdienst. Auch textlich findet diese Begegnung nirgendwo eine Erwähnung.
Mein Resümee: Filmgeschichte kann so oder so geschrieben werden. Da ich mir nicht erlauben würde, mich als Filmhistoriker zu bezeichnen, vielmehr bin ich immer Publikum geblieben und habe daher mit meiner Arbeit auch nie einer Ideologie gedient, wäre ich auch nie auf die Idee gekommen, mich an Walter Benjamin zu orientieren, sondern vertraute und vertraue meinem gesunden Menschenverstand. (Bitte nicht mißverstehen, ich habe nicht gesagt, gesundes Volksempfinden.)
Das also von der Nachkriegspublizistik nicht wahrgenommene Bild Leander / Cooper hat mich inspiriert, noch mehr aus diesem Blickwinkel in der Filmliteratur zu suchen. Und ich bin fündig geworden: z.B. dass die 1938 bei Carl Froelich in Berlin filmende Ingrid Bergman, die hier ihren ersten deutschsprachigen Film "Die vier Gesellen" drehte, vielen Filmhistorikern auch nicht in den Kram paßt. Folglich wird diese Episode in den meisten deutschsprachigen Nachschlagewerken übergangen, zu sehr kollidiert eine 1938 in Berlin filmende Bergman mit ihrem späteren antifaschistischen Film Casablanca. Daher war es mein Ziel, in meinen Leander-Büchern Fakten zu bringen, die anderswo nicht zu erfahren waren, wie z.B. der Nachruf von Heinrich Himmler auf Zarahs Heimkehr nach Schweden im Jahre 1943. Auch dieser Artikel liegt seit Jahren im Bundesarchiv vor. Mein im Laufe der Jahre immer größer werdendes Filmarchiv hat mir bei meinen Recherchen gute Dienste geleistet. Aber ich mache auch heute immer noch einen Unterschied zwischen einem Zitat, einer subjektiven Meinung und einem Fakt. Selbst ein so harmloses Rätsel, wie das nach dem genauen Geburtstag der Leander, habe ich erst als gelöst erklärt, nachdem mir eine Kopie von Zarahs Taufschein vorlag. Diese Beispiele könnte ich noch weiter fortsetzen. Aber ich empfehle dem geneigten Publikum, sich einfach meine Bücher vorzunehmen.
Doch einen Hinweis muß ich noch loswerden. In filmhistorischen Analysen wird oft der Eindruck erweckt, die Filme aus jenen Jahren seien ausschließlich gedreht worden, um das Publikum von den Kriegs- und Judenverfolgungsplänen der Nazis abzulenken. Eine Sprachregelung, die die Künstler und die Kunst zum Komplizen der jeweils Herrschenden macht. Kunst hat sicher immer eine systemstabilisierende Wirkung, aber so vereinfachende Zusammenhänge herzustellen, wie es z.B. am 8. Mai 1995 in Berlin im Zeughaus-Kino geschah, als nach dem Film Es war eine rauschende Ballnacht, dem Leander-Melodram um den Komponisten Peter Tschaikowsky, in dem Zarah ihr berühmtes Lied Nur nicht aus Liebe weinen singt, finde ich, gelinde gesagt, makaber.
Am 8. Mai 1995 gab es in Berlin wie anderswo auch diverse Veranstaltungen zu dem Thema Ende des Zweiten Weltkriegs. Überrascht war ich, als das Zeughaus-Kino aus diesem Anlaß die 'Rauschende Ballnacht' anbot mit einer anschließenden Diskussion. Man muß wissen, dass der Film im Januar, Februar 1939 in den Froelich-Studios in Tempelhof gedreht wurde zu einem Zeitpunkt, als ein Weltkrieg noch nicht vorstellbar war. Und man muß wissen, dass dieser Film nach dem Überfall auf die Sowjetunion aus den Kinos genommen wurde, da er ähnlich wie der Postmeister mit Heinrich George ein positives Bild der russischen Menschen zeigt. Obwohl die 'Ballnacht 'einmal im Jahr mit hohen Einschaltquoten im ZDF lief und seit Jahren als Videokassette zu kaufen ist, war das Kino gut besucht. Der Film endet mit dem Tod von Tschaikowsky. Seine Sechste Sinfonie ist zu hören.
Als letztes sieht man das Leander-Gesicht in Großaufnahme, dazu die Worte: "Gott nahm dir den Lebendigen und gibt ihn dir unsterblich zurück." Große Ergriffenheit im Kino, die dem nun um eine Diskussion bittenden Filmhistoriker absolut nicht ins Konzept paßte.
"Sie glauben, es ist ein harmloser Film", klärte er uns auf,
"mitnichten, ihr seid in die Falle gegangen. Dieser Film wurde gedreht, um auf den kommenden Krieg vorzubereiten. Die Leander hat in einer Textzeile die Menschen darauf vorbereitet, was sie demnächst erwartet, indem sie sang: "Wir werden vom Schicksal getrieben.", soll heißen, diese Passage bereitet auf die kommende Opferzeit vor."
So wurden wir, das immer noch ergriffene Publikum, wie unbelehrbare Kinder unterwiesen. Obwohl uns der Filmhistoriker noch zweimal aufforderte, kam es zu keiner Diskussion. Das Publikum verließ schweigend das Kino, wieder mal ein Sieg des oben angeführten gesunden Menschenverstandes.
Laut unserem Filmhistoriker waren die Künstler infolgedessen bei der UFA nur zu Kriegs- und Propagandazwecken unter Vertrag genommen. Aber eben diese UFA hatte bei Kriegsausbruch nichts eiligeres zu tun, als ein Gutachten über ihre Verträge mit der Leander zu erstellen. Ich zitiere:
"5. September 1939. Der Kriegszustand stellt sich als ein von uns nicht zu vertretender Umstand dar. Durch diesen Umstand ist es uns unmöglich geworden, die Dienste von Frau Leander anzunehmen. Die Dienste von Frau Leander sind nämlich, dem Vertragszwecke nach, für Filme von der Art und einem Umfang bestimmt, die während des Kriegszustandes nicht hergestellt werden können. Wir sind also während des Kriegszustandes nicht in der Lage, die nach dem Vertragszweck von Frau Leander zu leistenden Dienste anzunehmen. Diese Unmöglichkeit der Annahme der Dienste von Frau Leander während des Kriegszustandes hat nach der ausdrücklichen Regelung in § 12 der Anstellungsbedingungen zur Folge, dass der Vertrag für die Dauer des Kriegszustandes zum Ruhen kommt."
Diese Anmerkungen waren mir wichtig. Ich mußte sie loswerden. Umso mehr, da ich dieses Gutachten, aus dem ich eben zitierte, nirgendwo in der Filmliteratur erwähnt gefunden habe, obwohl es leicht zugänglich ebenfalls im Bundesarchiv einzusehen ist. Diese Erfahrungen haben mich genötigt, in meinem letzten Buch im Nachwort den Filmhistorikern ins Stammbuch zu schreiben: recherchieren, recherchieren, recherchieren und nicht immer das schon publizierte ab- bzw. nachschreiben.
Mein 'Zarah-Leander-Archiv', welches ich heute die Ehre habe, dem Filmmuseum Potsdam zu übergeben, bietet dazu reichlich Gelegenheit. Der Umgang mit der Historie kann spannend sein für den, welcher die eingefahrenen Trampelpfade auch mal verläßt, um zu neuen Erkenntnissen zu gelangen. In diesem Sinne lege ich mein Archiv allen Benutzern ans Herz und glaube und hoffe, dass es in Potsdam gut aufgehoben ist.
Jetzt bleibt mir nur noch übrig, mich bei den Medien herzlich zu bedanken, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten über meine Arbeit und meine Bücher in diversen Artikeln und Sendungen berichtet haben. Meistens auch fair. Wie schnell aber eine mißverständliche Interpretation die Runde macht, mußte auch ich erfahren: Als im März 1997 mein letztes Buch Ich bin eine Stimme in den Buchhandel kam, brachte ausgerechnet der Tagesspiegel, eine Zeitung, die ich selber seit fast 40 Jahren lese, die erste Rezension.
Zu meiner großen Freude eine gute: "Paul Seiler ist in einer Doppelrolle zu erleben", hieß es im Tagesspiegel, und weiter: "Als Statthalter der Diva auf Erden sichert er weiter die Spuren ihres Waltens, als Historiker untersucht er ihre Rolle im NS-Staat".
Die Bezeichnung "er ist ihr Statthalter auf Erden" war für mich wie eine Oscar-Verleihung. In den Interviews, die ich in der Folge gab, habe ich stolz auf diese Ernennung hingewiesen. Leider wurde ich fortan in den Medien als der selbsternannte Statthalter zitiert. Und das hat geschmerzt. Trotzdem blicke ich ohne Zorn auf diese Jahre zurück.
Lügen und Gerüchte
Papier ist geduldig
oder:
Paulchen, Du darfst nicht alles glauben, was gedruckt wird!
sagte schon 1958 Zarah Leander ihrem jungen Verehrer.
"Leicht verfälschte Wahrheiten sind schrecklicher als Unwahrheiten"
(Georg Christoph Lichtenberg, 1742-1799)
Gierig und absolut wortgläubig verschlungen habe ich 1956 den Tatsachenbericht von Curt Riess 'Das gab´s nur einmal, die Geschichte des deutschen Films', der Woche für Woche in der Zeitschrift Stern vorabgedruckt erschien, bevor er dann endlich auch als leinengebundenes 800-Seiten-Pracht-Exemplar mit 576 Fotos bereichert vorlag: Mein erstes Filmbuch.
Meine Phantasie reichte damals nicht aus, den spannend geschriebenen Schilderungen von Curt Riess mit Mißtrauen zu begegnen. Und so mußte ich erschrocken lesen, wie der von mir verehrte Star Zarah Leander im März 1943 in ihrer Villa nach einem Luftangriff beinahe ihr Leben lassen mußte und nur zwei Perserbrücken retten konnte:
"Während einer Bombardierung Berlins fällt auch eine Bombe auf die Villa der Leander im Grunewald. Das kann eine Frau wie sie nicht erschrecken. Sie läuft nicht wie die Hausmädchen schreiend und weinend aus dem Haus, sondern wirft aus dem Fenster ihres Schlafzimmers ihren wertvollsten Besitz nach unten, um ihn auf diese Weise zu retten. Allein drei Nerzmäntel finden auf diese Weise ihren Weg aus den Flammen. Freilich, als die Leander dann schließlich nach unten kommt, - schon etwas versengt und wirklich nur Sekunden, bevor das Haus zusammenstürzt -, findet sie ihre Nerzmäntel nicht mehr, findet sie überhaupt nichts mehr von dem, was sie aus dem Fenster geworfen hat. Freundliche Nachbarn haben sich der Beute bemächtigt. Nun hat die Leander endgültig genug. Sie nimmt das nächste Flugzeug. In Schweden landet sie - mit zwei Perserbrücken. Der Presse erklärt sie, dies sei das einzige, was sie aus Deutschland gerettet habe."
Als ich die Leander auf diese Tatsachen ansprach, antwortete sie wie oben zitiert und schilderte mir, wie sie ganz unspektakulär nach der Premiere ihren letzten Films Damals im März 1943 über Rügen und Saßnitz und nicht per Flugzeug Deutschland verlassen hatte. Ihr wertvoller Besitz ist weder gestohlen noch verbrannt, vielmehr schon 1942 nach Schweden transportiert worden. Seit 1941 bewohnte sie außerdem auch nicht mehr die mehrstöckige Villa Wildpfad 24 (die heute leider nicht mehr steht), auf die sich der Emigrant Riess bezogen hat, da sie öfter in der Presse abgebildet wurde.
Von einer Brandbombe wurde der ebenerdige Bungalow an der Max-Eyth-Straße getroffen, brannte still vor sich hin, die wenigen Möbel konnten noch in aller Ruhe in den Garten getragen werden.
In Fachkreisen wurde und wird Curt Riess ausufernde romanhafte Filmgeschichte nicht ernst genommen. Aber nachdem die beiden französischen Filmhistoriker Francis Courtade und Pierre Cadars anfangs der siebziger Jahre ihr Werk Cinema Nazi veröffentlichten und ohne Quellenangabe die oben zitierte Schilderung übernahmen, die danach wiederum ins deutsche übersetzt als Geschichte des Films im Dritten Reich in der Bundesrepublik erschien, mauserte sich die Riess´sche Fabel zur seriösen Quelle, die oft zitiert wird.
Bei Riess erfahren wir außerdem, Leanderfilme seien schon ein Jahr nach dem UFA-Start kein Geschäft mehr gewesen:
"... kamen Filme, die keine wirklichen Erfolge mehr waren..."
Erwähnt werden 'Heimat', 'Der Blaufuchs', 'Es war eine rauschende Ballnacht,' 'Das Lied der Wüste' sowie 'Das Herz der Königin '(1940). Demnach müßte sich die Leander schon ein Jahr nach ihrem sensationellen UFA-Start zum Kassengift entwickelt haben. Hier soll nicht über die Qualität dieser Filme gestritten werden, lediglich die Besucherzahlen, die die Wirtschaftlichkeit aller 10 Leander-Filme belegen, werden angeführt. Die Zahlen schwanken zwischen 7,2 und 14 Millionen Zuschauern für 'Der Blaufuchs' und 'Es war eine rauschende Ballnacht.' 'Das Herz der Königin,' das die Deutschen angeblich gar nicht mochten, besuchten immerhin noch 12 Millionen. Mit den drei letzten UFA-Filmen ist Curt Riess wieder einverstanden, hier liegen die Zahlen gar zwischen 13,5 - 27 Millionen.
Wer heute über die Leander publiziert, hat sich ohne es zuzugeben meistens auch bei Curt Riess kundig gemacht. Seine Filmgeschichte liegt seit Jahren als Taschenbuch vor.
Die Jounalistin Cornelia Zumkeller, die sich kräftig bei Riess bediente, ist ein vorzügliches Beispiel, wie man es nicht machen sollte: Den schwierigen Weg über die Recherche versäumte sie, sonst wäre ihr ja die Publikation von Dr. Gerd Albrecht Nationalsozialistische Filmpolitik (Stuttgart 1969), aus der ich die obigen Zahlen entnommen habe, in die Hände gefallen. Auch das Bundesarchiv hat sie sicher nie von innen gesehen. Sie schrieb für die Heyne-Filmbibliothek 1988 ein Leander-Taschenbuch, aber der Filmkunst der Leander und deren Wirkung auf das Publikum stand sie ratlos gegenüber:
"... geht einem das dämliche Pflicht- und Treuegedusel kolossal auf die Nerven..."
Folgerichtig war deshalb für sie, dass schon in den dreißiger und vierziger Jahren das Publikum zeitweise diesen Machwerken fernblieb. Als Kronzeugen führt sie nun Curt Riess an, und um ihn noch glaubhafter zu machen, bezeichnet sie den Ehemann der Schauspielerin Heidemarie Hatheyer als Zarah-Freund, der trotzdem nicht umhinkam, die Leander-Pleiten zu erwähnen.
Folgedessen bezeichnet sie den 'Blaufuchs' als Reinfall (obwohl er auch noch 1984 in der ARD 12 Millionen Zuschauer hatte).
Über 'Das Lied der Wüste' schrieb sie:
"... war ein Reinfall mit Pauken und Trompeten..." (11,5 Millionen Zuschauer)
und
"... der nächste Film 'Das Herz der Königin' war kaum besser..."
Ihr Resüme: "...Zarah war auf dem Tiefpunkt ihrer Karriere angelangt..."
dass die Leser einer schweizer Filmillustrierten sie 1940 zum Star Nr. 1 wählten, ihre Lieder und ihre Filme durch halb Europa gingen, Es war eine rauschende Ballnacht sogar in Schweden nach Kriegsbeginn vier Monate lief; sorgfältige Recherchen hätten dies zutage gefördert.
Jerzy Toeplitz dagegen ist sicher ein ernstzunehmender Filmhistoriker, leider erwähnt er Zarahs Rückkehr nach Schweden in dem Kapitel 'Das Ende des tausendjährigen Reiches' in seiner 'Geschichte des Films' (Henschel-Verlag 1982) und datiert die Rückkehr nach Schweden ins Jahr 1944:
"... 1944 reiste Zarah Leander, deren Villa durch Bomben zerstört war, nach Schweden. Anfangs 1945 setzte sich Goebbels Favorit, Professor Wolfgang Liebeneiner... heimlich in die Schweiz ab..."
Dadurch wird wieder einmal der Eindruck erweckt, die Leander habe bis zum bitteren Ende durchgehalten. 1944 kann ja auch den 31. Dezember bedeuten, d.h. vier Monate vor Kriegsende. In den Unterlagen, die im Bundesarchiv einzusehen sind, kann festgestellt werden, dass der letzte Drehtag für den letzten Film Damals schon am 10. November 1942 stattfand, lediglich zur Filmpremiere am 3. März 1943 kam die Leander nochmals nach Berlin.
Peter W. Engelmeier bringt das Kunststück fertig, in seinem Album der Kinostars (Weltbild-Verlag 1992) in der Leander-Kurzbiographie von 40 Zeilen 10 Fehler unterzubringen: 1900 geboren, ist sie mit 16 Jahren wohl die jüngste Lustige Witwe der Musikgeschichte, Detlef Sierck wird unterschlagen, an dessen Stelle tritt Carl Froelich, der spätere Präsident der Reichsfilmkammer. Dies mag noch unter schlampig recherchiert in Kauf genommen werden. Aber seiner Feststellung,
"...Ihre Nachkriegsproduktionen werden vom Publikum und Presse so heftig abgelehnt, dass sie sich 1955 vom Film zurückzog...",
muß ich auch hier die Besucherzahlen entgegenhalten: 'Gabriela' war 1950 der drittbeste Film nach 'Schwarzwaldmädel' und 'Der dritte Mann', auch die beiden nächsten Filme 'Cuba Cabana' (1952) und 'Ave Maria' (1953) fanden noch ein Millionenpublikum.
Friedemann Beyer behauptet in seinen Starportraits - Die Gesichter der UFA (Heyne Filmbibliothek) ohne einen Nachweis erbringen zu können, die Leander sei nicht nur der berühmteste Star im Reich, vielmehr auch die (hohe) Frau an Hitlers Seite gewesen:
" ... Hitler, der sich gerne mit ihr öffentlich feiern läßt."
In einem persönlichen Gespräch (in meiner Wohnung bei Tee und Plätzchen) habe ich dem Autor erläutert, nach meinen Recherchen sei die Leander dem Führer höchstens zweimal begegnet, einmal sogar nur eine Zigarettenlänge, da sie dieselbe auf dem Rücken versteckt danach im Wintergarten zuende rauchte. Weiter, dass es absolut kein Bildmaterial Leander und Adolf Hitler gibt. Der Autor versprach in der zweiten Auflage den Fehler zu beheben, was aber leider unterblieb.
Ganz schlimm kommt es jetzt bei Micaela Jary, die ich ebenfalls seit Jahren kenne und es trotzdem nicht verhindern konnte, dass sie in ihrem Taschenbuch 'Das Leben der Zarah Leander' (Aufbau Verlag 2001), wie vorher schon bei dem Verlag Edition Q in zwei Auflagen, die Karriere der Leander zurechtbiegt, um daraus eine amüsant zu lesende Story zu erstellen.
Uns allen, die wir auf diesem Gebiet forschen, sind die Meldungen aus dem Reich, die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS zugänglich, die jeweils tagesaktuell berichten. Da erfahren wir, dass die Tonaufnahme von dem Lied 'Davon geht die Welt nicht unter 'schon ab Januar 1942 dem Reichsdeutschen Rundfunk zur Verfügung stand und auch mehr als oft gespielt wurde. Dies alles ignoriert die Autorin, um uns zu erzählen, wie in den fertigen Film 'Die große Liebe' das Lied 'Davon geht die Welt nicht unter' nachträglich, d.h. nach Beendigung der Dreharbeiten eingefügt worden sei. Da aber zu diesem Lied die vier vorangegangenen Szenen gehören, hätten auch diese nachträglich gedreht werden müssen. Ohne Lied und die vier Szenen läge aber kein fertiger Film vor.
Dies zu behaupten erfordert von der Autorin viel Mut, existieren doch über keinen Leander-Film so viele wissenschaftliche Abhandlungen von namhaften Filmautoren, wird doch gerade diesem vorgeworfen, er habe die Goebbelssche Propagandamaschine bedient wie kein anderer. Nachzulesen sind die Fakten zu den Dreharbeiten nicht nur dort, sondern auch in den Unterlagen der UFA, die im Bundesarchiv einzusehen sind.
Die Dreharbeiten haben vom 23. September 1941 bis zum 18. März 1942 gedauert, außerdem ist aus den Meldungen aus dem Reich Nr. 253 vom 22. Januar 1942 zu ersehen, dass dieses Lied schon während der Dreharbeiten öfter nahezu zu Tode gehetzt im Rundfunk eingesetzt wurde. In der Filmwelt vom Dezember 1941 ist darüber hinaus die Filmszene abgebildet, in der Zarah Leander 'Davon geht die Welt nicht unter' vor verwundeten Soldaten singt. Die ganze Story um die Entstehungsgeschichte dieses Liedes, die im Buch mehrere Seiten einnimmt, ist daher frei erfunden.
Eine Besprechung, die der damalige Reichsfilmintendant Fritz Hippler auf Anweisung von Goebbels am 4. November 1942 im KddK (Kameradschaft der deutschen Künstler) mit diversen Komponisten führte, verlegt die Autorin auf den Februar 1942, um die obige Story glaubwürdiger zu präsentieren. Aus Hippler macht sie Hinkel, führt in den Literaturhinweisen ihres Buches trotzdem Hippler als Zeitzeugen für die Entstehungsgeschichte von 'Davon geht die Welt nicht unter' an, erwähnt außerdem die Dokumentation Bombenstimmung des WDR aus dem Jahre 1986, in der Fritz Hippler aber ausdrücklich zweimal das Geschehen auf November 1942 datiert, wie übrigens auch in seinem Buch 'Die Verstrickung'.
Den Textdichter des Liedes Bruno Balz, den sie nach dieser Unterredung aus einem Gestapo-Gefängnis befreien läßt, damit er das obige Lied entwerfen kann, muss, um der Story die Krone aufzusetzen, als Homosexueller im Sommer 1942 seine lesbische Cousine heiraten. Die Heiratsurkunde, die ich im Bundesarchiv eingesehen habe, trägt aber das Datum des 21. September 1936!
Auch ihre Behauptung, die Leander habe nach ihrem Zerwürfnis mit dem Komponisten Michael Jary im Februar 1960 keines seiner Lieder mehr gesungen, kann durch Rundfunkmitschnitte aus dieser Zeit widerlegt werden. Auf einer live-CD vom 60. Geburtstag der Leander im Berliner Sportpalast trägt sie gar drei Jary-Lieder vor. Aber eben am 18. und nicht am 15. März, wie die Autorin vermutet. Daher hat das Geburtstagsglückwunsch-Telefonat ihres Vaters so auch nicht stattgefunden.
Tee getrunken habe ich auch mit der Filmhistorikerin Claudia Lenssen, nachdem sie mir die Fotos aus meinem Archiv zurückbrachte, ausgeliehen für den Katalog 'Blaue Augen, blauer Fleck', eine Ausstellung vom Herbst 1997 im Filmmuseum Potsdam. Wie immer fand ich auch in ihrem Portrait zu Zarah Leander diverse Fehler, wie z.B. in 'Zu neuen Ufern' habe diese 'Der Wind hat mir ein Lied erzählt 'gesungen. Wie immer ist es mir peinlich, Autoren, die sich doch dem Sammler und Verehrer haushoch überlegen fühlen müssen, auf Fehler aufmerksam zu machen. Einen Fehler habe ich besonders betont, da ich ihn allerorts immer wieder finde:
"...Sie (Leander) erhielt in ihrer Heimat nach Kriegsende Auftrittsverbot ... und in Deutschland bis 1949 ebenfalls..."
Wie wir wissen, bestand ja Deutschland bis 1949 aus vier Besatzungszonen, die autonom waren. So gestaltete sich also Zarah Leanders erste Nachkriegstournee - begonnen 1948 im Saarland - kompliziert: In jeder Zone mußte jeweils ein Antrag für ihr Gastspiel gestellt werden, besonders die Briten ließen sich mit der Genehmigung Zeit, Auftrittstermine wurden daher verschoben und Zeitungen berichteten darüber. Trotzdem gestaltete sich diese erste Nachkriegstournee, die im August 1949 mit zwei bejubelten Konzerten in Berlin endete, zu einem wahren Triumphzug. Überall ausverkaufte Vorstellungen, die Polizei mußte zeitweise den Verkehr umleiten, weil vor und nach jedem Auftritt die Menschen die Leander sehen wollten.
Schon 1947 absolvierte die Leander übrigens eine Tournee durch Italien und die Schweiz. In einige Länder konnte sie allerdings nach 1945 nicht sofort einreisen, wie z.B. in die Niederlande und Belgien sowie 1951 in die USA. Auch kamen die ersten Filmprojekte - 1947 in Österreich - nicht zustande, da Flüchtlingsverbände Proteste erhoben. Aber daraus ein Auftrittsverbot zu konstruieren empfinde ich mehr als nicht nachvollziehbar. Im Spiegel habe sie es gelesen, wehrte Frau Lenssen meine Einwände ab. Welche Institution ein Auftrittsverbot hätte erteilen müssen, dies konnte sie mir allerdings auch nicht beantworten.
Ein Alexander von Agoston schließlich behauptete sogar:
"Bis zu ihrem Tode blieb ihr die Einreise in die USA verwehrt."
- Zarah Leander während ihrer Amerikatournee 1968 mit Gatte Arne Hülpers und Confronciere Rolf Stiefel -
Und dies ausgerechnet in einem Artikel 'Paul in der Zeitschrift Outline' (Nr. 2/2000), den er allerdings nicht mir, sondern Marlene Dietrich widmete. Auch da mußte ich auf die USA-Tournee im Jahr 1968 hinweisen.
In den vergangenen Monaten konnte ich bei drei Fernsehproduktionen mitarbeiten (Arte, ZDF, ARD), die jeweils eine Dokumentation über die Leander produzierten. Leider haben sich auch da die oben erwähnten Klischees eingenistet, bzw. wurden Publikationen zu Rate gezogen, die diesen Unsinn verbreiten. Mir fiel die undankbare Aufgabe zu, darauf hinzuweisen. Allen gefiel die Jary-Balz-Geschichte (mir eigentlich auch), meinem Rat folgend wurde sie nicht verwendet.
Kein Lied wurde und wird mehr in Kriegsdokumentationen eingeschnitten als Davon geht die Welt nicht unter, singt die Leander dasselbe doch vor verwundeten Soldaten in dem Film Die große Liebe mit dem Resultat, dass die Nachgeborenen oft nicht erkennen, dass es sich um eine Spielfilmszene handelt. Vielmehr glauben sie - auch die Fernsehjournalisten - die Leander habe tatsächlich deutsche Truppen betreut. Meinem Einwand, es handle sich lediglich um eine Filmszene, wurde mit Mißtrauen begegnet; kein Triumph war es für mich, recht zu bekommen. Vielmehr hinterließen diese unnötigen Auseinandersetzungen einen schalen Nachgeschmack.
Auch in der vorzüglichen Dokumentation Berliner Leben vom SFB wurde in der Folge 'Sturz in den Abgrund' so verfahren, als habe die Leander noch in der zweiten Hälfte des Jahres 1944 dieses Lied vor kriegs- und propagandamüden Berlinern vorgetragen:
" ... im Haus Vaterland oder im Friedrichstadtpalast...",
wo die Leander nie auftrat. Auch befand sie sich zu diesem Zeitpunkt schon zwei Jahre in ihrer schwedischen Heimat. Letzter Arbeits- bzw. Drehtag im Reich war der 10. November 1942!
Wochenschauaufnahmen vom Januar 1939, die die Leander für das Winterhilfswerk sammelnd vor einem Berliner Kino zeigen, werden in Dokumentationen seit jeher mitten im Kriegsgeschehen angesiedelt, um zu belegen, wie sehr die Leander die Nazis doch unterstützte.
Auch in der Dokumentation Ich sag´ nicht ja, ich sag´ nicht nein, von Gero von Boehm für Arte produziert, haben sich diverse Fehler eingeschlichen. Es war mir leider nicht möglich, den Rohschnitt zu überprüfen, und so erzählt ausgerechnet Helma Sanders-Brahms von einem nachträglich verstärkten Tonkreuz in Babelsberg, in dem Altstars wie Leander, Heesters, Rökk und Werner trotz Bombenhagels ihre Lieder bis zum bitteren Ende singen konnten.
Das vorzügliche Tonkreuz auf dem Babelsberger Filmgelände ist schon 1929 zu Beginn der Tonfilmära gebaut und seitdem nicht verändert worden, und ich stelle wieder einmal fest: Nur um eine gelungene Pointe anzubringen, wird deshalb oft die Historie auf den Kopf gestellt.
Selber habe ich in dieser Dokumentation die Tagebücher des Juden Viktor Klemperer erwähnt. Einer seiner letzten Kinobesuche im Reich fand am 30. Januar 1938 statt, und er schrieb tags darauf:
" ... gestern also die Habanera mit Zarah Leander gesehen, geradezu erschütternd gut..."
So habe ich ihn zitiert und auch Federico Fellini erwähnt, der zur selben Zeit in Italien Zarah Leander für sich entdeckte und Jahre später dazu bemerkte:
"Immer bekam ich eine Gänsehaut. Sie war die Löwin, von der sich ein Mann gerne auffressen lassen würde."
Leider fielen diese Passagen der Schere zum Opfer, da sie nicht die gängigen Klischees bedienten. Stattdessen wird im Kommentar behauptet - ohne dass es für diese absurde Unter-stellung auch nur den Hauch einer Quelle gibt - ein Bruno-Balz-Liedertext sei dem Führer zum Geburtstag gewidmet worden. Aber vielleicht wollte der schwule Textdichter sich ja auch nur für seine Gestapo-Haft rächen: Hitler hat Geburtstag, Davon geht die Welt nicht unter; dies wäre doch eine Pointe gewesen!
Auch eine Ambivalenz, die aber von Gero von Boehm noch nicht einmal bemerkt wurde.
Dankbar bin ich deshalb, dass in dem ARD-Portrait von Annette Plomin endlich die beiden Schlagzeilen aus dem Jahre 1944 erwähnt werden, als zum Abgang der Leander zu lesen war:
"...Zarah Leander Freund der Juden..."
sowie
"...Die deutsche Frau kann wieder Atem holen ... wir sind vor neuen Filmen bewahrt..."
Dankbar deshalb, weil ich der erste war, der in seinen Büchern nach 1945 darauf hingewiesen hat (1991 in Ein Mythos lebt und 1997 in Ich bin eine Stimme), obwohl diese Texte ebenfalls seit Jahrzehnten im Bundesarchiv einsehbar sind.
Eva Gesina Baur hat in ihrem Buch Göttinnen des Jahrhunderts (Ullstein-Verlag 1999) diesen Text aus meinen Büchern übernommen, aber leider das Zitat von Heinrich Himmler leicht verändert ,aus
"...Wir sind vor neuen Filmen bewahrt..." macht sie kurz und bündig "... damit ist jetzt Schluß..."
und wird damit nun wiederum in dem Lexikon der Idole zitiert.
So verändern sich Zitate, der Kreis schließt sich.