Paul Seilers ZARAH LEANDER Archiv

roter Pfeil P R E S S E S C H A U - 5

Presseschau 2007 zum 100. Geburtstag von Zarah



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Zarah wird morgen 100 Jahre 
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 Zarah Leander wird das ganze Jahr gefeiert
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 Wiegenlied für Todgeweihte
Vor hundert Jahren wurde Zarah Leander geboren - sie war der erste Gruftie-Star
Harald Jähner
Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh'n" - dieses 1942 noch vor Beginn der Schlacht um Stalingrad aufgenommene Lied von Zarah Leander gilt im allgemeinen als Paradebeispiel für die Durchhaltepropaganda der NS-Kulturpolitik. Dabei ist von Vertrauen in den Führer in dem Lied gar nichts zu spüren; es setzt stattdessen nur noch auf Wunder, auf Märchen und auf die Liebe. Es geht in dem Lied um den Geliebten in der Ferne - da allerdings, ist der Bezug zu den Erfahrungen der Soldatenfrauen von 1942 deutlich gegeben: "Wenn ich nicht in meinem Herzen wüsste,/Dass du einmal zu mir sagst: / Ich liebe dich, /wär' das Leben ohne Sinn für mich."
Besonders wehrkraftsteigernd kann die Bedeutung, die dem Glück - und dem Leben - des Einzelnen in dem Lied zukommt, nicht gewesen sein. Erst in der letzten Strophe wird aus der Angst um den Geliebten traurige Gewissheit: "Keinem ist mein Herz so gut gewesen / Wie dem einen, der mich jetzt verlassen hat, /Der für mich nicht einen Gruß mehr hat,/ der mich vergaß." Die Trauer endet in dem frommen Wunsch nach Wundern: "Ewig kann doch nicht verloren sein, /was ich besaß./Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh'n / und dann werden tausend Märchen wahr".
Dieser im Schlussrefrain trotzig heraus gedonnerte Glaube an ein Wiedersehen, offensichtlich wider besseres Wissen mit schon wahnsinnigem Dröhnen gesungen, ist das eigentlich Befremdende und Faszinierende an dem Lied. Die Deutschen haben sich darin wiedergefunden - für den Theaterkritiker Günther Rühle war sie "die ganz große Geliebte" der Deutschen - sie unterhielten zu ihr ein Suchtverhältnis. Was mit der NS-Kulturpolitik aber durchaus korrespondierte, war der tragische Stolz, den die Leander stilisierte, die aufrechte Haltung, mit der sie in ihren Liedern Angstzustände und Verlust thematisierte. Was den Nazis überhaupt nicht gefiel, war ihre Unabhängigkeit ("Ich bin, wie ich bin") und die düstere Stimmung, die sie im Laufe ihrer Karriere immer mehr kultivierte.
Als Vamp eher peinlich
Im November 1942 verließ Zarah Leander Deutschland, nachdem Goebbels sie vergebens gedrängt hatte, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen, und kehrte zurück nach Schweden, wo sie sich das riesige Gut Lönö kauft, samt 22 Inseln und einem Haus mit zwei Dutzend Zimmern.
Der "Politische Dienst für SS und Polizei" kommentierte den Fortgang des Stars mit den Worten: "Wir sind vor neuen Filmen bewahrt und die deutsche Frau kann wieder Atem holen." Das Blatt bescheinigt dem zuvor verehrten "Überweib" nun "trivialste Lüsternheit" und sieht die Deutschen als Opfer einer raffinierten Verführung, aus deren Beschreibung nun wirklich der ganze Wahnsinn des NS-Staates spricht: "In ihrer dunklen Altstimme vibrierte eine starke erotische Spannung. Sie fand eine neuartige aus dem Chanson entwickelte Methode, die Töne durch geheimnisvolle Vorgänge in der Nase in die Länge zu ziehen, um dann, wie von einer Sehne abgeschnellt, Dir spitze und verlockende Laute der Liebe in die empfindsame Gegend des Magens zu schleudern."
Als Sara Stina Hedberg wird Zarah Leander im schwedische Karlstad geboren - das Z findet sich in ihrem Vornamen schon in den schwedischen Schulzeugnissen. 1936 kommt die bereits in Stockholm und Göteborg gefeierte Sängerin nach Wien für das Musical "Axel an der Himmelstür". Ein Jahr später ist sie schon in Berlin - die NS-Besetzungspolitik sucht eine Nachfolgerin für die nach Hollywood entschwundene Marlene Dietrich. Man wollte sie als Vamp aufbauen - doch dazu war sie zu üppig, zu schwerblütig, zu melancholisch, zu ungelenk und zu pathetisch. Ihre vielen Versuche im kessen Fach sind allesamt peinlich - dass sie später zur Schwulenikone wurde, hängt mit dieser Gebrochenheit in ihrer Selbst- und Fremddarstellung zusammen, und natürlich mit ihrer tiefen Kontra-Alt-Stimme. Die harten Gesichtszüge unter extremem Makeup, die theatralischen Brauen, die Sprungschanzennase, ihr Hutfetischismus - alles zusammen gibt der Leander etwas Transenhaftes, das sich mit dem herrischen Ton, den sie ihrer Rolle als Übergeliebte zu geben vermag, aufs Schönste verträgt.
Sterne streuen fremdes Licht
Neben der schillernden, mondän drapierten Sexualität und der Vorliebe für Fern- und Heimweh gehört zu Zarah Leander das Kokettieren mit der Angst und das Bannen von Furcht. Wer die düsteren unter ihren Chansons hört, der spürt, wie viel Angst die Deutschen gehabt haben müssen, lange bevor sie den Krieg als verloren erkannten. Überall geistert es von kalten Sternen, leerer Fremde, vom eisigem All, düsterem Licht und bösen Ahnungen. Dem A konnte Zarah Leander die ganze Wärme des schwedischen Akzents geben: "Niemand ahnt, wie lang es währt." Dieses A lässt Schlimmes ahnen - ihr tiefschwarzes, todesgewisses Schlummerlied sang die Leander mit einer Zärtlichkeit, mit der man einem toten Menschen die Lieder schließt: "Sterne streuen fremdes Licht / und die Stille summt / Dunkel fällt auf Dein Gesicht / wenn das Lied verstummt / Schlafe ein, schlafe ruhig ein."
Es fiele nicht schwer, die Leander-Chansons als Schlummerlieder für ein Tätervolk zu bezeichnen und vom Totenkult der SS einen weiten Bogen zu schlagen zu den Todesahnungen in ihren Texten. Ständig wird dort erhobenen Hauptes ins Jenseits gegangen: In dem gesungenen Minidrama "Wo ist Dein Herz?" wandelt sich die Stimme der Geliebten zur dröhnenden Stimme Gottes, die eben dieses Herz, das gerade noch liebte, als seines fordert. Den Nazis wäre damit allerdings zu viel Ehre getan.
Zu dem düsteren, bitteren und grandios irren Kitsch der Leander passt es, dass bis heute immer wieder neue Spekulationen auftauchen, denen zufolge sie als Kurier für den KGB gearbeitet habe und konspiratives Mitglied der schwedischen KP gewesen sei. Wirklich bewiesen wurde das Gerücht, das zuletzt vom ehemaligen sowjetischen Geheimdienstler Pawel Sudoplatow bestätigt wurde, nie. Zarah Leander hat stets dazu geschwiegen. Die Nähe zu Moskau hätte man ihr in Schweden noch übler genommen, als die Propaganda für Berlin.

Es dauerte ein paar Jahre bis sie in Schweden wieder auftreten konnte. Bis in die Siebziger war sie auch im Nachkriegsdeutschland ein paar Mal zu erleben - ohne den Resonanzboden der unheilschwangeren Diktatur blieb sie eine kulturelle Randfigur. Auf Gut Lönö starb sie 1981


 

Mitläufer, Genuswissenschaft und Geschwätz
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