P R E S S E S C H A U - 7
Presseschau 2007 zum 100. Geburtstag von Zarah


Dagens Nyheter Schweden 15. 3. 2007:
Heute hätte Zarah Leander ihren hundertsten Geburtstag. Nachdem er fünf Bücher über die umstrittene Schwedin geschrieben hat, feiert Paul Seiler diesmal den Geburtstag mit einer großen Ausstellung im Internet. Zarah Leanders größter Verehrer
BERLIN. Gänsehaut. Paul Seiler will wissen, ob es das Wort im Schwedischen gibt. Wir sitzen in der Wohnung, in die er vor 36 Jahren eingezogen ist. Sie zeigt den klassischen Berliner Stil mit gut drei Metern Raumhöhe und
Kristallkronleuchtern, Decke und Wände in Rot und Weiß. Eine Katze streicht zwischen den Zimmern umher. – Sie heißt Nanie, nicht Zarah. So verrückt bin ich nicht, dass ich der Katze ihren Namen gebe, versichert Paul Seiler.
- Zarah Leander hat sein Leben entscheidend geprägt und das hat mit Gänsehaut zu tun. Es war während des Krieges, daheim in der Schweiz. Vater hörte Radio und rief: „Kommt und hört der Frau zu, die mit einer so dunklen Stimme singt“, erzählt Paul Seiler und erinnert sich daran, wie er eine Gänsehaut bekam. Erst später verstand er, dass es Zarah Leander war, die er gehört hatte. 1954 tauchte sie wieder im Leben des 18-jährigen Paul Seiler auf. Er sah den deutschen Film „Ave Maria“ aus den Fünfzigerjahren, der damit beginnt, dass Zarah Leander zu Beginn des Liedes noch nicht zu sehen ist.
- Paul Seiler wird ein begeisterter Verehrer Zarahs. Er trifft sie zum ersten Mal im nächsten Jahr und sie lernen sich näher kennen, als er selbst nach Berlin zieht, die Stadt, wo sie oft auftritt und Schallplatten aufnimmt.
Sie sagt: „Du darfst ins Studio mitkommen, wenn du meinst, dass es dich nicht langweilt“, erzählt Paul Seiler.
- Er begann alles zu sammeln, was über Zarah Leander geschrieben wurde, aber im Lauf der Zeit kam anderes dazwischen.
- Paul Seiler machte eine Schauspielerausbildung, interessierte sich für Popmusik, nahm auf Berlins Straßen an Demonstrationen gegen die USA und den Vietnamkrieg teil.
- Es ging nicht alles so planmäßig mit Zarah Leander. Sie wollte ihren Geburtstag mit einem Auftritt im Westberliner Sportpalast feiern. Ich überlegte, ihr meine Sammelmappen als Geschenk zu überreichen, das sollte ein schöner Abschluss werden, erzählt er.
- Das Zusammentreffen kam jedoch nicht zustande, Paul Seiler konnte seine Ausschnitt-Sammlung behalten. Als Zarah Leander dann 1981 starb, suchte Paul Seiler in den Buchhandlungen vergebens nach Biografien. Als kein Buch erschien, erkannte er seine Aufgabe.
- Damals ging alles wie von selbst, nun habe ich fünf Bücher über sie geschrieben, sagt er.
- In Seilers Testament steht, dass die Homepage über Zarah noch zehn Jahre über seinen Tod hinaus bestehen soll.
Die einzige Eintragung über Paul Seiler im Dagens-Nyheter-Archiv handelt von Folgendem:
Leif Furhammar hat „Ein Mythos lebt“ rezensiert und stellte fest, dass der Autor, durch seine Liebe verblendet, unfähig ist zu erkennen, die Rolle zu erkennen, die Zarah Leander als populäre Sängerin und Schauspielerin in Deutschland unter der Nazidiktatur spielte.
- Paul Seiler reagiert auf den Zeitungsausschnitt mit einem schiefen Lächeln und sagt, dass der Kritiker die Welt vermutlich in Schwarz und Weiß sieht, und die Menschen entweder als gute oder schlechte.
- Er selbst weist auf die Reproduktion einer Nazizeitung hin, die an die deutschen Frontsoldaten verteilt wurde. Im Herbst 1942 hatte Zarah Leander ihren letzten Film gedreht und reiste für immer heim. In dem Zeitungskommentar heißt es, dass sie nie das Deutsche verkörperte, dass sie eigentlich ein falsches Spiel getrieben habe.
- Goebbels (Propagandaminister) schätzte sie nicht von Anfang an, begriff jedoch, dass sie ein Huhn war, das goldene Eier legte. Aber sie war nicht von den Nazis manipuliert und aufgebaut. Zarah hatte das Publikum als Dank für ihre Erfolge, nicht Goebbels. Es war etwas an ihr, das die Deutschen traf, sagt er.
- Nach dem Krieg wurde Zarah Leander in Deutschland zur Kultfigur und Schwulenikone. Bruno Balz war Textdichter von mehreren der populärsten Lieder Zarah Leanders. Er war homosexuell und wurde deshalb von den Nazis verfolgt. Die Texte hatten oft eine Doppeldeutigkeit, von der sich Paul Seiler angesprochen fühlte, auch er homosexuell.
- Die Prüderie lebte nach dem Krieg in höchstem Grade weiter. Zwei Männer, die einander auf offener Straße küssten, konnten aufgrund Anstoß erregenden Betragens im Gefängnis landen. “Kann denn Liebe Sünde sein?“ heißt eines dieser Lieder. Einmal stellte Zarah Leander in Westberlin diese Frage als Einleitung dem Publikum. „Nein“, rief jemand laut und das Publikum applaudierte. Dann sang sie und es war, als erteilte sie die Absolution. Alles ist erlaubt, wenn wir es mit Freude und Liebe tun, sagt der 71-Jährige.
JAN LE WENHAGEN
Korrespondent bei Dagens Nyheter
Textzeile unter dem Bild: Als Paul Seiler, 71 Jahre, Zarah Leander zum ersten Mal singen hörte, bekam er eine Gänsehaut. (Foto Christian T. Jorgensen)


Verbindet Zarah und die Nazis nicht miteinander




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